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Gotland: Kriminalroman (German Edition)

Gotland: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Gotland: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Håkan Östlundh
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riss Rickard sich plötzlich los und rannte. Fredrik dachte im ersten Moment, er wolle fliehen, doch Rickard steuerte auf die steilste Stelle der Klippen zu.
    Fredrik raste ihm hinterher.
    Rickard hatte zwar einen Vorsprung, aber mit den Händen auf dem Rücken konnte er nicht allzu schnell laufen, ohne das Gleichgewicht zu verlieren. Fredrik hatte ihn schnell wieder eingeholt, Sara war direkt hinter ihm. Rickard Traneus stolperte. Fredrik glaubte, er würde der Länge nach hinfallen, aber Rickard konnte sich geschickt auf den Beinen halten und rannte weiter auf den Steilhang zu.
    Direkt an der Kante holte Fredrik ihn ein und streckte den Arm aus, um Rickard zu packen und zu Boden zu werfen. Er bekam ihn unter der Achsel zu fassen, doch in diesem Moment warf sich Rickard kopfüber in den Abgrund. Rickard stürzte in die Tiefe und riss Fredrik erbarmungslos mit sich.
    Sie fielen. Fredrik hielt Rickard nun auch mit der linken Hand fest, und so stürzten sie von Angesicht zu Angesicht in die Tiefe. Fredrik blickte in Rickards leere Augen, während er von der Klippe auf eine bläuliche Felsplatte am Steinstrand stürzte.
    Er sah sich selbst in einem Bett liegen. Eine Frau im langen Rock kam auf ihn zu, hinter ihr eine Flügeltür und ein heller Korridor. Zuerst war ihm das Bild fremd, doch dann wurde ihm plötzlich klar, dass es aus einer englischen Fernsehserie stammte, deren Namen er schon lange vergessen hatte. Die Geschichte spielte im neunzehnten Jahrhundert, und der Mann im Bett, aus dessen Augen nun er selbst schaute, lag im Sterben. Die Frau im Türrahmen verdoppelte sich, und genau wie der Blick des Sterbenden wurde das Bild unscharf. War dies das allerletzte Bild, das durch sein Inneres flackern würde? Eine Szene aus einer Fernsehserie, die es gar nicht wert war, dass man sich an sie erinnerte?
    Dann nichts mehr.

66
     
    Göran Eide stand vor der Notaufnahme des Karolinska-Krankenhauses und rauchte eine Zigarette. Sie schmeckte beschissen und trotzdem unwiderstehlich.
    Als er erfuhr, was passiert war, tat er drei Dinge. Erstens stellte er sicher, dass der Rettungshubschrauber zur Insel unterwegs war. Zweitens veranlasste er Gustav, Fredriks Frau persönlich von dem Unglücksfall zu unterrichten und nach Visby zu bringen. Drittens bat er einen Kollegen von der Schutzpolizei, ihm eine Packung Camel light zu kaufen. Das war nun sieben Stunden her. Als die Ärzte beschlossen, Fredrik ins Karolinska-Krankenhaus zu verlegen, flog Göran mit demselben Flugzeug wie Ninni nach Stockholm.
    Er stand nicht gern vor der Notaufnahme und wartete. Eigentlich rauchte er auch nicht gern.
    Zwei Jahre zuvor hatte er nach dem Besuch bei einem Kollegen vor dem Notfallkrankenhaus von Visby gestanden und sich den Kopf darüber zerbrochen, was schiefgegangen war und wie sich so etwas in Zukunft verhindern ließ.
    Fredrik Broman war mit in die Tiefe gerissen worden, als er Rickard Traneus daran zu hindern versuchte, sich die Klippe hinunterzustürzen. So waren beide von der Klippe auf Östergarnsholm gestürzt und auf einer Felsplatte gelandet. Rickard Traneus, der unter Fredrik aufgekommen war, starb sofort. »Sie lagen da wie Opfer auf einem Altar«, keuchte Sara bibbernd, als sie kreidebleich und steif gefroren wieder in Visby ankam.
    Fredrik war schwer verletzt. Nachdem man ihn in Visby untersucht und stabilisiert hatte, schickte man ihn weiter zum Karolinksa. Es war nicht klar, ob er überleben würde. Die Verletzungen waren um einiges schwerer als bei dem Kollegen vor zwei Jahren. Göran schloss die Augen. Wie hatte das Ganze nur so verflucht schiefgehen können? Hatte Fredrik einen Fehler gemacht? Hatte er sich zu unvorsichtig oder zu heldenhaft verhalten? Oder war Sara verantwortlich dafür? Oder er selbst? Oder konnte man solche Dinge einfach nicht verhindern?
    Doch im Grunde war das scheißegal. Im Moment zählte nur, dass Fredrik durchkam.
    Göran nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette und sah die Tür der Notaufnahme aufgehen. Es war Ninni, die mit kurzen, aber langsamen Schritten auf ihn zukam.
    Ohne darüber nachzudenken, hielt er ihr die Zigarettenschachtel hin. Sie klopfte sich wortlos eine Zigarette heraus und ließ sich von ihm Feuer geben. Erst als die Spitze kräftig glühte, blies er das Streichholz aus.
    Sie rauchten ihre Zigaretten bis auf den Filter hinunter und redeten kein Wort miteinander.

67
     
    Sara hatte die drei Tage, die sie krankgeschrieben war, um einige Urlaubstage verlängert. Da die
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