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Gotland: Kriminalroman (German Edition)

Gotland: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Gotland: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Håkan Östlundh
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obersten Stufe der Kellertreppe. Ihre Schultern schmerzten, und die rechte Hand war völlig verkrampft. War sie nicht auch angeschwollen?
    Wieso fühlte sich das, was ihr noch vor wenigen Stunden wie eine Befreiung erschienen war, nun wie das Ende an? »Wer bin ich?«, hatte sie sich verzweifelt gefragt, weil sie nicht die Gelegenheit ergriffen hatte, ihre Leben zu ändern, weil sie die Riesenchance nicht genutzt hatte, die ihr das Schicksal zugespielt hatte.
    Wer war sie jetzt?
    Mit der erhobenen Axt in den Händen fühlte sie sich so stark. Sie hatte das Recht, es zu tun, und wurde von etwas getragen, das größer war als sie. Sie war stark und würde sich befreien. Kein Zweifel.
    Nun war alles aus, vorbei. Sie versuchte sich daran zu klammern, dass sie in gewisser Weise das Recht dazu gehabt hatte. Er hatte für seinen Tod angespart. Tag für Tag und Jahr für Jahr hatte er etwas in ihr bis zum Zerreißen gespannt. Nun war der Strick gerissen. So wollte sie denken, doch es war nicht leicht. Sie wollte denken, dass er es getan hatte und nicht sie.
    Als Anders kam, schlichen sie wie zwei Tiere im Käfig umeinander herum, die sich einander nicht verständlich machen können. Sie kreisten umeinander, trampelten aufeinander herum und streckten die Hände nacheinander aus, aber für Zärtlichkeit war in der Stunde der Wahrheit kein Platz.
    Irgendwann hatte Anders gesagt, sie solle sich im Schlafzimmer einschließen. Sie konnte nicht, wollte alles wissen, hängte sich an ihn. Nun wollte sie ihn plötzlich berühren, aber Anders machte sich frei und schob sie ins Schlafzimmer.
    Es sei besser, wenn sie nichts wisse, sagte er. Dann machte er die Tür zu.
    »Du bleibst hier«, sagte er.
    Sie saß auf der Bettkante, hörte ihn die Treppe hinauf und hinunter und hinaus zur Garage gehen, sonst nichts. Trotzdem horchte sie auf jedes Geräusch. Sie konnte nicht anders.
    Sie saß auf dem Bett, wo Arvid sie wenige Stunden zuvor genommen und geschlagen hatte. Dieselbe Hand, die ihr Geschlecht gestreichelt hatte, traf sie mitten auf den Wangenknochen. Er schlug sie mit dem Handrücken. Offenbar tat er sich dabei weh, denn beim zweiten Mal nahm er die Faust. Diesmal traf er die Schläfe. Er schlug so fest, als wolle er sich nun auch für den Schmerz in seiner Hand an ihr rächen.
    Er nahm sie hart und plötzlich, anscheinend mehr aus einem inneren Zwang als aus Lust. Der Geschlechtsakt war genauso rätselhaft wie die Schläge danach. Sie empfand kein bisschen Lust, vorbei. Vor langer Zeit hatte sie ihn mehr begehrt als alles andere. Sie wäre zu allem bereit gewesen, um diesen Körper noch ein einziges Mal berühren zu dürfen. Mit weichen Knien, verwirrten Sinnen und vollkommen außer sich war sie gewesen. Alles hätte sie für ihn getan. Und nun war davon nichts mehr übrig, nicht einmal ein fernes Echo. Es war sogar befremdend, daran zurückzudenken.
    Als Anders die Tür aufriss, wusste sie nicht, wie viel Zeit vergangen war. Mit großen fragenden Augen starrte sie ihn an. Wieder sagte er, es sei besser, wenn sie nichts wisse. Er würde wegfahren und heute nicht mehr wiederkommen. Am besten würden sie sich eine Zeit lang weder sehen noch überhaupt Kontakt miteinander haben.
    Sie brauche nur noch sauber zu machen, sagte er. Das Gröbste habe er erledigt, aber nun müsse sie hinuntergehen und gründlich putzen. Der ganze Raum solle mit den stärksten Reinigungsmitteln geschrubbt werden. Jeder Millimeter. Sie dürfe nicht die Gerätschaften benutzen, die die Putzfrau immer verwendete. Danach müsse sie den Schrubber, den Lappen und alles andere in den Heizkessel stecken und über Nacht den Thermostat hochdrehen.
    »Wir schaffen das«, hatte er gesagt.
    Sie glaubte ihm nicht. Man würde nach Arvid suchen. Man würde ihn finden.
    »Nein«, hatte er gesagt, »vertrau mir.«
    Man würde ihnen auf die Spur kommen, man würde herausfinden, wie das mit ihr und Anders war.
    »Lass sie doch herausfinden, was zwischen uns ist«, sagte er, »wir schaffen es trotzdem.«

63
     
    Sara wurde allmählich heiser. Sie stand schon ewig im Türrahmen und brüllte in den Leuchtturm hinein, und die ganze Zeit blies ihr von rechts der Wind ins Gesicht. Sie durfte jetzt bloß nicht die Stimme verlieren, denn sie schien endlich etwas zu erreichen.
    Fredrik lehnte neben der Tür. Er sah blau gefroren aus. Mit steifen Fingern notierte er jedes Wort von Rickard auf seinem Block. Es war logisch und trotzdem bizarr. Das hier war vermutlich das merkwürdigste
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