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Gotland: Kriminalroman (German Edition)

Gotland: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Gotland: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Håkan Östlundh
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Hieb traf Anders über der Nasenwurzel. Der Knochen splitterte, und die Augäpfel wurden aus den Höhlen gepresst. Mit voller Kraft wuchtete er ein drittes Mal die Arme nach vorn und zerschlug den Brustkorb. Mit Leichtigkeit glitt die Klinge durch Rippen und Knorpel. In der halben Sekunde, in der er erneut ausholte, erahnte er in dem klaffenden Spalt das Herz, das in seiner noch intakten graublauen Hülle einige letzte Male kräftig und angestrengt pulsierte.
    Während er zum vierten Mal mit der Klinge zustieß, machte er einen halben Schritt zurück. Diesmal durchtrennte der Stahl den Kehlkopf und die Halsschlagader. Der Kopf bog sich in einer grotesken Bewegung nach hinten und hinterließ einen breiten Spalt, aus dem das Blut zunächst mit kräftigem Druck und dann immer sachter herausquoll.
    Leblos lag der Körper vor ihm auf dem Boden, aber er hörte nicht auf. Er hob ein fünftes Mal die Klinge und dann ein sechstes, siebtes, achtes Mal …

65
     
    Die Wellen donnerten gegen die felsige Westseite. Die Luft war feuchter geworden, und die dichten Wolken hingen tiefer, aber Regen fiel noch immer nicht.
    Fredrik dachte über die Einzelteile nach, die nun zueinander passten. Kristina Traneus hatte ihren Mann umgebracht, ihr Liebhaber hatte ihn vergraben, und der Sohn hatte sich am Liebhaber und der Mutter gerächt. Letzteres war vielleicht keine Absicht gewesen. Und Leo Ringvall? Er musste zum Hof gekommen sein und herumgeschnüffelt haben, vielleicht hatte er durch die Fenster geguckt und möglicherweise sogar die Leichen gesehen, aber mit den Ereignissen hatte er nichts zu tun. Er würde nur einer der vielen sein, die auf der Beerdigung von Arvid Traneus keine Träne vergießen würden.
    Die Verstärkung ließ auf sich warten. Fredrik sah nach, ob er einen Anruf überhört hatte. Es waren anderthalb Stunden vergangen, seit Sara den Kollegen Bescheid gesagt hatte.
    Eventuell hätte man einen Hubschrauber vom Festland anfordern können, aber der konnte bei diesem Wetter vielleicht nicht übers Wasser fliegen. Von seiner Position aus konnte Fredrik das nicht beurteilen, aber er rechnete eher mit der Küstenwache aus Slite. Falls die Kollegen sich für diese Möglichkeit entschieden hatten, mussten sie jeden Augenblick im Norden auftauchen.
    Södermans Anita tanzte auf den immer höheren Wellen. Die Autoreifen zwischen Rumpf und Steg knirschten. Es sah nicht gut aus.
    »Rickard«, rief Sara, »Sie können nicht auf der Insel bleiben. Das Wetter wird immer schlechter. Ich weiß nicht, wie lange das Boot hier noch liegen kann.«
    Saras lädierte Stimmbänder hörten sich fürchterlich an.
    »Ja«, antwortete Rickard.
    War das eine Antwort oder eine Frage, überlegte Fredrik.
    »Kommen Sie runter? Wir müssen hier weg«, brüllte Sara.
    Er bewegte sich dort oben. Das Knarren der Dielen war nicht mehr zu hören, aber sie sahen bei jedem Schritt den Staub durch die Ritzen rieseln. Eine Weile glaubte Fredrik, dass er tatsächlich herunterkommen würde.
    »Und dann?«
    »Sie kommen raus, und dann fahren wir mit dem Fischerboot zurück nach Herrvik.«
    »Ich meine, was wird dann passieren?«
    Sara war erschöpft vor Müdigkeit und Kälte, und ihre Stimme war völlig lädiert. Sie wollte jetzt nur noch, dass er herauskam.
    »Wir nehmen Sie mit nach Visby«, sagte sie. »Da Sie gestanden haben, dass Sie Anders getötet und den Tod Ihrer Mutter verschuldet haben, wird man Sie wegen Mordes oder Totschlags …«
    Sie hielt inne und sah Fredrik an.
    »… sowie wegen Körperverletzung mit Todesfolge festnehmen.«
    Peter Klint würde zwar voraussichtlich auch im zweiten Fall auf Totschlag plädieren, aber in diesem Moment schien es ihr klüger, sich so auszudrücken.
    »Haben Sie noch Fragen?«, rief sie.
    Er schwieg lange.
    »Nein.«
    »Gut, Rickard. Kommen Sie jetzt runter?«
    Er antwortete nicht. Kein Staub rieselte durch die Ritzen. Sara sah Fredrik ratlos und ein wenig entmutigt an. Der nasskalte Wind zerrte an ihren Jacken, stieß durch die halb offene Tür und fuhr pfeifend durch den alten Steinturm.
    »Kommen Sie jetzt runter?«, fragte Sara noch einmal.
    Es kam keine Antwort, aber diesmal sahen sie den Staub. Dann konnte man auf der Treppe seine Füße sehen.
    Fredrik stand im Türrahmen und behielt Rickard fest im Auge. Sara ging zur Seite und platzierte sich mit gezogener Waffe außerhalb von Rickards Blickfeld. Fredrik steckte seine Pistole in den Gurt.
    Langsam kam Rickard Traneus die Treppe herunter. Er trug eine
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