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Gotland: Kriminalroman (German Edition)

Gotland: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Gotland: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Håkan Östlundh
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Verhör seines Lebens.
    In Rickard Traneus’ Kopf ging vieles durcheinander. Sara wollte seine Gedankengänge nicht zu sehr lenken, damit er sich nicht plötzlich ganz verweigerte. Während der Befragung ging ihr durch den Kopf, wie das Ganze enden sollte. Entweder mussten sie ihn dazu bringen herauszukommen, oder sie mussten hineingehen und ihn holen. Würde er freiwillig kommen, wenn er alles erzählt hatte? Würde er Widerstand leisten? War er bewaffnet?
    »Sind Sie hineingegangen? Sind Sie hineingegangen, oder blieben Sie dort stehen und hörten zu?«, krächzte sie.
    Ihre trockenen Stimmbänder drohten zu streiken.
    »Sie haben ihn umgebracht«, sagte Rickard Traneus leise.
    Sie konnte ihn kaum verstehen, beugte sich aber lieber noch weiter hinein, als ihn zu bitten, lauter zu sprechen. Als sie einen Fuß auf die Schwelle setzte, warf Fredrik ihr einen warnenden Blick zu. Sie winkte ab.
    »Ich verstehe«, sagte sie.
    Im Grunde ahnte sie bereits, wie Rickards Bericht weitergehen würde, und hätte sich die Fortsetzung am liebsten erspart. Sie wünschte, ihm wäre sie erspart geblieben. So etwas sollte kein Mensch miterleben müssen. So sollte niemand sich selbst erleben müssen. Was hatte Rickard Traneus noch für eine Zukunft? Was sollte er tun, wenn er seine Strafe abgesessen hatte? Keine Strafe auf der Welt konnte ein solches Verbrechen wiedergutmachen. Nicht in den Augen der Mitmenschen, aber vor allem auch nicht in den eigenen. Diese Last würde er für immer mit sich herumschleppen. Er war zwar nicht der Meinung, dass es seine Schuld war, aber das Verbrechen würde er trotzdem nie wieder loswerden.
    »Sie sind reingegangen, nicht wahr, Rickard?«

64
     
    Mit der rechten Hand hielt er die Klinge fest. Er spürte, wie sich die Stahlkante durch den dicken Lederhandschuh drückte. Er lauschte und er begriff.
    Als das letzte Puzzleteil an der richtigen Stelle lag, konnte ihn nichts mehr halten. Ein einziger Gedanke erfüllte ihn. Dieser Mann sollte sterben. Dieser Mann ging im Haus seines Vaters umher, als hätte er bereits seinen Platz eingenommen. Nie hatte er etwas so Abscheuliches gehört, nie war er einem so verachtungswürdigen Menschen begegnet. Dieser Mann war gar kein Mensch. Er war eine Tier, eine Schlange.
    Nachdenken konnte er nicht mehr. Als er alles begriffen hatte, wurde in seinem Kopf in Sekundenschnelle ein Schalter umgelegt. Der Zorn überfiel ihn wie eine Feuersbrunst im Sturm.
    Er stürzte aus seinem Versteck, raste mit der erhobenen Klinge durch das Haus und erblickte ihn sofort. Er sah lächerlich normal aus. Ein Mann wie jeder andere. Als er seine Augen sah, war er sich sicher. Anders’ weit aufgerissene Augen drückten Schuld und Gewissheit aus. Er wusste, dass das Ende nahte und er seine gerechte Strafe bekommen würde.
    Brüllend lief Rickard auf ihn zu. In dem Schrei, den er von sich gab, lag genauso viel Leid wie Zorn. Er hob die Klinge über den Kopf und stürmte los. Das Zimmer drehte sich und verlor die Konturen, aber Anders blieb deutlich zu erkennen, mitten in seinem Blickfeld. Rickard gierte darauf, ihm die Klinge in den Hals und in die Brust zu stoßen und sein Leben auszulöschen.
    Er schlug zu. Die Klinge sauste wieder.
    Da stand sie plötzlich und streckte die Arme aus. Nicht sich selbst wollte sie schützen, sondern ihn, wie ein lebendes Schild.
    »Rickard! Nein!«
    Die Worte gingen ihm durch Mark und Bein, aber es war zu spät. Die Klinge fiel – schnell, schwer und mit Wucht – und hinterließ eine tiefe Wunde in ihrer Brust.
    Er starrte das rote Loch an, sah sie auf die Sofakante und zu Boden sinken.
    Völlig außer sich drehte er sich zu Anders um. Er warf den Tisch um und drängte ihn in eine Ecke des Raums. Anders stolperte feige bettelnd rückwärts und stieß dabei die Möbel im Weg um.
    Der erste Hieb durchschlug die Sehnen und Adern seiner Arme direkt unter den Handgelenken. Er hatte flehend oder einfach nur zum Schutz die Hände gehoben.
    Verwundert sah er sein Werk, sah das Blut, das aus den Armen schoss, und die Hände, die ohne Muskeln und Sehnen schlaff herunterhingen, aber er hielt nicht inne. Er kochte innerlich vor Zorn, Hass und Verzweiflung. Doch ihn trieben nicht Gefühle, sondern es war mehr. Über Gefühle war er längst hinaus. Eine glühend heiße Urgewalt trieb ihn dazu, die schwere und scharfe Klinge zu schwingen. Diese Kraft würde vernichten und wiederaufrichten, sie würde für Ordnung sorgen und die Welt wieder heil machen.
    Der zweite
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