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Gondeln aus Glas

Gondeln aus Glas

Titel: Gondeln aus Glas
Autoren: Nicolas Remin
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fixierte Tron mit einem hinterhältigen Lächeln. «Früher oder später wären Sie auf die Tatsache gestoßen, dass ich gut mit Orlow bekannt war.»
    Wie bitte? Was hatte Potocki eben gesagt? Tron musste schlucken. «Sie und Orlow kannten sich?
    Woher denn?»
    Potocki schien dieses Gespräch zu genießen. «Aus dem zweiten Petersburger Garderegiment», sagte er fröhlich. «Orlow war mein vorgesetzter Offizier. Er kam zu mir, als er dieses Problem mit der Königin und Kostolany hatte.»
    Potocki unterbrach sich, als ein Windstoß scheppernd die Fensterläden traf und die Kerzen im Raum zum Flackern brachte. Es regnete immer noch mit unverminderter Heftigkeit.
    «Ich dachte zunächst», fuhr Potocki fort, «die Angelegenheit ließe sich mit Geld regeln. Aber dann stellte sich heraus, dass Kostolany ein sturer Prinzipienreiter war. Als ich ihn schließlich doch so weit hatte, dass er von seinen Prinzipien Abstand nahm, hat er eindeutig zu viel verlangt. Allerdings brachte mich seine Habgier dann auch auf einen guten Gedanken. Zumal mir das Wasser ohnehin bis zum Hals stand.»
    «Weil Ihre Frau sich scheiden lassen wollte? Und weil eine Scheidung Sie mittellos zurückgelassen hätte?»
    Potocki nickte. «Da konnte ich einen handlichen Tizian gut gebrauchen.»
    «Dann haben Sie also Kostolany getötet und sind anschließend in seine Rolle geschlüpft.»
    In Potockis Blick lag Erstaunen und ehrliche  Anerkennung. «Ich hatte Sie unterschätzt, Commissario.»
    «Wir haben der Königin eine Fotografie des toten Kostolany gezeigt. Sie hat uns versichert, dass sie diesen Mann nie gesehen hat. Unser Fehler war, dass wir Troubetzkoy für den Täter hielten.» Tron sah Potocki an. «Und warum musste Pater Terenzio daran glauben?»
    «Ihn zu beseitigen und es wie einen Unfall aussehen zu lassen lag auf der Hand», sagte Potocki. «Er stand unter Verdacht, und mit seinem Tod wären die Akten vermutlich geschlossen worden.» Potocki seufzte. «Leider hat Ihr Sergente dann herausgefunden, dass es kein Unfall gewesen ist. Also gingen die Ermittlungen in die nächste Runde.»
    «Warum musste Orlow sterben?»
    «Dieses Nervenbündel wollte der Königin alles beichten. Kostolanys Tod hat ihn wohl über Gebühr schockiert.» Potocki lachte. «Obwohl er sich gut gehalten hat, als ich ihn und die Königin in der Kleidung von Kostolany begrüßt habe.»
    «Er wusste nicht, dass Sie die Absicht hatten, Kostolany zu töten und in seine Rolle zu schlüpfen?»
    Potocki schüttelte den Kopf. «Ich hatte ihm nur zugesagt, dass Kostolany mitspielen würde. Der Oberst war auch dagegen, Pater Terenzio zu beseitigen. Er wollte Ihnen sogar den Tizian zuspielen, damit die Königin das Bild verkaufen konnte. Wenn der Tizian wieder auftaucht, dachte er, ist der Druck aus den Ermittlungen, und Sie würden sich vielleicht mit der Version zufrieden geben, dass Pater Terenzio der Täter war. Zumal Sie immer noch den Großfürsten im Visier hatten und das höheren Ortes nicht gerne gesehen wurde.»
    «Und Ihre Frau?»
    «Konstancja hatte den Tizian in meinem Kleiderschrank entdeckt.» Potockis Gesicht verzerrte sich.
    «Sie hätte Ihnen vermutlich alles erzählt, wenn es zu einem Gespräch mit Ihnen gekommen wäre. Also war ich gezwungen, diese Begegnung zu verhindern.
    Außerdem hätte mich eine Scheidung ruiniert. Jetzt bin ich ihr Erbe.»
    «Aber sie war noch am Leben, als wir uns auf der Treppe begegnet sind. Sie hat Chopin …»
    Potocki schüttelte den Kopf. «Das sollten Sie denken, Commissario. Sie waren mein Alibi.» Potocki lachte. Wieder hüpfte der Revolver in seiner Hand auf und ab. «So wie Sie jetzt mein Alibi sein werden.»

    «Wie haben Sie es gemacht?»
    Potocki grinste breit. «Es hätte Ihnen auffallen können, wenn Sie das Mobiliar des Salons näher untersucht hätten.»
    «Da standen ein Bechstein, ein Klavier und eine Sitzgrappe», sagte Tron. «Und ein kleiner Tisch, auf dem die Noten Ihrer Frau lagen.»
    Potocki nickte. «Richtig beobachtet. Aber leider nicht genau genug.»
    «Dann sagen Sie mir, was ich übersehen habe.»
    «Nicht nur Sie. Auch Ihr schlauer Sergente», sagte Potocki. Er schien sich in einer heiteren, ausgelassenen Stimmung zu befinden – aber Tron sah, dass die Mündung des Revolvers immer noch auf sein Herz gerichtet war.
    «Was haben wir übersehen?»
    Potocki lächelte. «Das erzähle ich Ihnen, wenn Sie sich vor die Tür stellen.» Die Mündung seines Revolvers machte einen Schlenker zur Tür. «Dorthin, wo
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