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Gondeln aus Glas

Gondeln aus Glas

Titel: Gondeln aus Glas
Autoren: Nicolas Remin
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ließ – nicht sofort, denn eine Zeit lang noch schien sie Teil des Traumes zu sein, in den er versunken war. Sie schien auch nicht von außerhalb zu kommen, sondern direkt seinem Kopf zu entspringen – er unterschied Menuette, Walzer, Sarabanden, dann wieder Walzerklänge, nur dass der Walzer, den er jetzt hörte, nicht länger aus seinem Kopf kam, sondern definitiv von außen. Von … oben? Von der Decke herab? Was hatte das zu bedeuten? Und wo war er eigentlich? Wo stand dieses Bett, in dem er lag? Tat ihm etwas weh? Nein, eigentlich nicht.
    Vielleicht brannte der rechte Arm ein wenig, und sein Kopf fühlte sich etwas dumpf an, aber das war nicht der Rede wert. Was war nur passiert? Es roch süßlich, nach brennenden Wachskerzen, dabei zugleich ein wenig muffig, nach ungelüfteten Zimmern – natürlich, der altvertraute Geruch des Palazzo Tron, ein Geruch, in den sich jetzt ein schwacher Duft von Frangipani mischte. Dann sprach eine Stimme – die Stimme der Principessa – aus der Dunkelheit zu ihm: «Tron? Bist du wach?»
    Tron schlug die Augen auf. Er lag in seinem  Zimmer im Zwischengeschoss des Palazzo Tron und sah das, was er immer sah, wenn er erwachte: seinen Nachttisch, auf dem jetzt eine seltsam geformte Tasse stand, an der gegenüberliegenden Wand sein Tafelklavier und vor dem Fenster seinen Schreibtisch, auf dem sich Manuskripte für die nächste Ausgabe des Emporio della Poesia stapelten.
    Tron räusperte sich. «Wo kommt die Musik  her?»
    Die Principessa lachte. «Aus dem Ballsaal. Es ist Sonntagnacht. Du warst die letzten beiden Tage ein wenig indisponiert.»
    «Großer Gott, der Ball.»
    «Es läuft hervorragend, Tron. Der Ball ist das Ereignis des Jahres.»
    «Wieso bist du nicht oben?»
    «Wir wechseln uns an deinem Bett ab. Die Contessa, Alessandro und ich.»
    «War ich die ganze Zeit bewusstlos?»
    «Du bist zweimal aufgewacht und hast etwas gesagt. Das erste Mal wolltest du Champagner und truffes en surprise. Allerdings bist du sofort wieder eingeschlafen.»
    «Und das zweite Mal?»
    «Wolltest du beignets dauphin. Dann hast du ein wenig Tee aus der Schnabeltasse getrunken und bist erneut eingeschlafen», sagte die Principessa.
    Schnabeltasse? Tron stöhnte. Er fand, dieses Wort hörte sich fast so an wie … Bettpfanne. «Was ist passiert? Das Letzte, an das ich mich erinnern kann, war dieser Stoß in meinen Rücken. Dann fielen zwei Schüsse, und ich war weg.»
    «Bossi hat es noch rechtzeitig zum Rio San Barnaba geschafft. Er hat Potocki erschossen.»
    «Wie hat er erfahren, wo ich war?»
    «Das kann er dir selbst sagen.» Die Principessa sah Tron amüsiert an. «Willst du ihn sprechen?»
    «Bossi ist hier? Auf dem Ball?»
    «Warum nicht? Wir schulden ihm einiges.» Die  Principessa beugte sich über das Bett, wedelte ein paar Krümel von der Steppdecke und fügte in beiläufigem Ton hinzu: «Marie Sophie ist ebenfalls gekommen.»
    Wie bitte? Einen Augenblick war Tron davon überzeugt, dass er immer noch träumte. «Die Königin ist hier?»
    Die Principessa nickte lächelnd. «Sie war heute Morgen auf der Questura, um dir etwas Wichtiges mitzuteilen. Da hat sie erfahren, was geschehen ist.
    Sie hat sich sofort zum Palazzo Tron bringen lassen, weil sie wissen wollte, wie es dir geht.»
    «Hat sie gesagt, worum es ging?»
    Die Principessa schüttelte den Kopf. «Nein.»
    «Und wie kommt es, dass sie auf dem Ball ist?»
    «Weil die Contessa und ich sie eingeladen haben», sagte die Principessa. «Sie hat gerade mit Spaur getanzt.»
    Ah, wie bitte? Tron beschloss, sicherheitshalber noch einmal nachzufragen. «Die Königin hat mit Spaur getanzt?»
    Die Principessa senkte bejahend den Kopf. «Spaur war ebenfalls heute Vormittag hier und hat nach dir gefragt – ganz der besorgte Vorgesetzte. Allerdings hatte er einen Hintergedanken. Er hat durchblicken lassen, dass er sich über eine Einladung zum Ball freuen würde. Und dass er es begrüßen würde, wenn sich diese Einladung auch auf eine gewisse weibliche Person erstreckt.»
    Tron runzelte die Stirn. «Signorina Violetta ist hier?»
    Nicht dass ihn noch irgendetwas überrascht hätte.

    «Wir konnten es unmöglich ablehnen», sagte die Principessa. «Und warum auch? Sie macht sich gut.»
    «Das ist Signorina Violettas Entree in die Gesellschaft», sagte Tron nachdenklich. «Offenbar meint der Baron es ernst.»
    Die Principessa nickte. «Vielleicht ist sie bald eine Baronin.» Sie erhob sich. «Soll ich dir Bossi schicken?»
    Tron ließ
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