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Goldrausch: Tannenbergs zweiter Fall

Goldrausch: Tannenbergs zweiter Fall

Titel: Goldrausch: Tannenbergs zweiter Fall
Autoren: Bernd Franzinger
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im Nieselregen unter einer weit herabhängenden Bogenlaterne standen. »Das hab ich nämlich noch nie gemacht.«
    »Ehrlich?«, seufzte Tannenberg nachdenklich.
    »Und jetzt machen wir das! Los, komm!«
    In diesem Moment schoss ein Auto um die Ecke der Bismarckstraße und raste mit hoher Geschwindigkeit auf die beiden zu. Tannenberg wollte gerade seine direkt am Fahrbahnrand stehende Begleiterin zu sich in Richtung der Restauranttreppe zerren, als er das zivile Dienstfahrzeug der Polizei erkannte.
    »Mensch Michael, du verdammter Idiot! Bist du verrückt geworden?«, schrie er aufgebracht seinen Mitarbeiter an.
    »Tut mir Leid, Wolf, ich wollte euch nicht erschrecken«, entschuldigte sich Kriminalkommissar Schauß durch das heruntergelassene Seitenfenster. »Hallo, Frau Doktor! Du warst über dein Handy nicht zu erreichen. Und da habe ich dich eben überall gesucht. Dein Bruder hat mir dann den entscheidenden Tipp gegeben.«
    »Und warum veranstaltest du diesen ganzen Zirkus?«, wollte Tannenberg von seinem jungen Kollegen wissen.
    »Die Feuerwehr hat oben im PRE-Park einen Brand gelöscht und dabei eine verkohlte Leiche gefunden.«
    »Nein, nicht heute! Nicht heute, wo wir doch zum Dire-Straits-Konzert wollen«, jammerte Dr. Eva Glück-Mankowski.
    »Du kannst ja schon vorgehen. Vielleicht schaff ich’s ja auch noch rechtzeitig. Die fangen sowieso immer später an. Ich komm auf alle Fälle nach in die Kammgarn.«
    Die LKA-Beamtin überlegte nur einen kurzen Augenblick und entgegnete dann resolut: »Das kommt ja gar nicht in Frage! Ich fahr natürlich mit! Du weißt doch ganz genau, dass ich bei einem spektakulären Mordfall einfach nicht widerstehen kann.«
    »Wer sagt dir denn, dass es sich bei dieser Sache um einen spektakulären Mordfall handelt? Es kann ja wohl auch ein Unfall gewesen sein«, gab Tannenberg zu bedenken. »Aber gut, wenn du unbedingt willst! Da triffst du wahrscheinlich auch endlich deinen geliebten Oberstaatsanwalt wieder.«
    »Kollege Schauß, wo fahren wir da hin? In einen PRE-Park? Was ist denn das? Ein Vergnügungs- oder Freizeitpark?«, fragte die Kriminalpsychologin interessiert, nachdem sie auf der Rückbank des silbernen Mercedes Platz genommen hatte.
    »Nein, so was ist das nicht. Das ist mehr so eine Art modernes Gewerbegebiet. Aber warum das Ding PRE-Park heißt, weiß ich eigentlich auch nicht. – Du, Wolf?«
    »Keine Ahnung! Jedenfalls ist es das Kaiserslauterer Silicon Valley: Softwarefirmen und so’n Computerzeug eben.«
    Während sich die beiden anderen Fahrzeuginsassen angeregt miteinander unterhielten, blickte Tannenberg geistesabwesend durch die mit einer Vielzahl von kleinen Wassertröpfchen benetzte Windschutzscheibe. Obwohl der Nieselregen immerfort für weiteren Nachschub sorgte, hatte er jedoch im ungleichen Kampf mit den viel mächtigeren Wischerblättern keinerlei Siegchancen; denn jedes Mal, wenn sich eine neue Tröpfchenarmada auf der gewölbten Sicherheitsglasfläche niedergelassen hatte, nahte bereits das zerstörerische Unheil in Form der unerbittlichen schwarzen Gummibänder, die erbarmungslos alles vernichteten, was sich ihnen in den Weg stellte.
    Das wär’s doch: Einfach alles wegwischen – alle Erinnerungen, alle Ängste, alle Selbstvorwürfe! Seine Augen folgten den rhythmisch ihre Arbeit verrichtenden Scheibenwischern. Das wäre tatsächlich das Beste, stellte er mit einem tiefen inneren Stoßseufzer fest.
    Aber bislang war es ihm noch nicht gelungen, sich dauerhaft der zermürbenden Vorwurfsattacken zu entledigen, die ihn wie eine lästige Gichterkrankung schubweise heimsuchten. Vor allem nachts, wenn sein ruheloses Gehirn ihn mit stetig wiederkehrenden Erinnerungsbildern konfrontierte, war er ihnen wehrlos ausgeliefert.
    Immer dann, wenn auf seiner inneren Kinoleinwand die Felsen und die dekorierten Frauenleichen auftauchten, sagte er sich zwar sofort, dass er damals gar nicht anders hatte handeln können. Aber diese rationalen Interventionsversuche nutzten einfach nichts, denn die bösartigen Folterknechte in seinem Kopf ließen sich davon nicht im Geringsten beeindrucken.
    Wie hatte sein Mentor, der alte Kriminalrat Weilacher, immer wieder gesagt: Junge, jeder schwierige Fall wird dich dein Leben lang begleiten – wie schlechter Mundgeruch. Du kannst dir so oft, wie du willst, die Zähne putzen, du wirst ihn nie ganz los. Du kannst ihn nicht abschütteln, denn, egal, wo du bist, egal, was du tust, er ist immer schon da – mal mehr, mal weniger
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