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Goldmond

Goldmond

Titel: Goldmond
Autoren: Susanne Picard
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Tarinds mithilfe von Lianen hinab ins Verlies und untersucht den leblos daliegenden Leib des Fürsten. »Seine Seele ist fort, Mendaron Tarind!«, ruft er schließlich hinauf.
    Für einen Augenblick scheint Tarinds Gesicht von Wut verzerrt. Doch dann glätten sich seine Züge wie die eines Königs, der sich seiner Herrschaft gewiss ist.
    Tarind springt mit einem Satz zu dem Soldaten und dem leblosen Körper des Fürsten Amadian hinab. Er selbst legt die Fingerspitzen auf die Stirn des Menschen, dann nickt er kurz.
    Er zieht ein wakon aus der Schärpe an seiner Hüfte, und bevor jemand eingreifen kann, hat der neue König der Elben dem Fürsten der Dunkelmagier die Klinge ins Herz gestoßen. Langsam, so als wolle er es auskosten.
    Für einen Augenblick ertappt sich Telarion dabei zu denken, wie unangemessen dies ist. Die Seele des Fürsten von Guzar war bereits fort. Nun auch noch den Körper zu vernichten ist eine Grausamkeit, die dem König des überlegenen der beiden Völker nicht gut zu Gesichte steht.
    Doch der Bruder erstickt die Scham im Keim. »Es ist vollbracht«, sagt Tarind, als er wieder aus der Grube klettert. Sein Lächeln zeigt Telarion, dass er triumphiert. »Die Söhne des Dajaram haben ihren Vater gerächt – gemeinsam!«
    Nach einer kurzen Pause fügt Tarind hinzu: »Ich bin König!« Er blickt zu Telarion. »Und du bist mein Zwilling!«
    Er lacht, als er Telarions Verblüffung bemerkt. »Man sagt, du seist der klügere Zwilling, während ich der ältere und entschlossenere bin. Doch nur gemeinsam sind wir eins«, sagt Tarind. »Sei also mein Verwalter. Mein Heermeister. Mein Heiler. Mein Ratgeber.« Er macht eine Pause und wird ernst. Doch in seinem Blick leuchten Stolz und Liebe auf den jüngeren Sohn des Vaters. »Ich bin kein Ganzes ohne meinen Bruder«, wiederholt er, als dieser schweigt. Er legt Telarion die Hände auf die Schultern. »Ich brauche dich. Kann ich auf dich zählen, Zwilling?«
    Wieder spürt Telarion, wie sanfter, blaugoldener Regen in den Wolkenwirbel seiner Seele fällt. Es fühlt sich nach dem scheinbar ewigen Schmerz des dunklen Feuers, das nun beinahe verschwunden ist, an, als wäre er neugeboren. Tarind hat nicht zu viel versprochen.
    Telarions Blick fällt auf den leblos daliegenden Dunkelmagier am Boden der Felsmulde. Selbst mit dem Blick eines Heilers kann Telarion kein Seelenfeuer mehr dort erkennen. Auch der dunkle Fleck im Gebüsch darüber bleibt verschwunden.
    Der Menschenfürst ist tot. Genauso wie das quälende dunkle Feuer in ihm nur noch Asche ist, die vom stetig fallenden blauen Regen fortgewaschen wird.
    Dankbarkeit erfüllt ihn. Er weiß jetzt, dass die Wunde, die ihm der Tod des Vaters riss, dank seines Zwillings heilen wird.
    »Von der gleichen Mutter zur gleichen Stunde geboren«, sagt er. »Ich bin dir ergeben. Ja, du kannst auf mich zählen, Bruder.«

Kapitel 1
    Nachdem die Welt geschaffen war und jedes Ding seinen Platz gefunden hatte, wählte Ys ihre Wohnstatt im Norden auf dem Gipfel des höchsten Berges der Welt. Doch Syth lag die Kälte dort nicht, die die Dinge erstarren lässt, die Weite über der Welt, die dünne Luft und die grenzenlose und majestätische Ruhe des ewigen Gipfelschnees. Er, der immer neu erschaffen muss, zog die Hitze der südlichen Ebenen vor, die Erde, aus der er Dinge formen konnte und in deren Tiefen das Feuer immer neues Gestein bildet. Dort, unter dem höchsten der südlichen Berge, ließ er sich nieder und gestaltete seine Wohnung aus Feuer und Stein und dem Kristall, der unter dem Gewicht der Welt selbst entsteht.«
    Von der Schöpfung der Welt
    Erste Rolle der Schriften des Klosters der Quelle
    D as rosige Licht brach sich funkelnd auf den Wassern des Bachs. Es war, als explodiere in der ewig grünlichen Dämmerung des Hochwaldes der Feuerball eines Dunkelmagiers.
    Das Licht überraschte Telarion dermaßen, dass er unvermittelt stehenblieb und geblendet die Augen schloss. Beinahe erwartete er das Zischen von verdampfendem Wasser, das wütende Fauchen von Flammenmagie, die sich gegen sprudelndes Wasser zur Wehr setzte. Doch das Funkeln blieb lautlos. Nur kaum hörbares Plätschern – die Schritte seines Fluchtgefährten im Bach – drang an sein Ohr und entfernte sich stetig von ihm.
    Gomaran hatte nicht bemerkt, dass sein Fluchtgefährte und Herr stehengeblieben war.
    Das eiskalte Wasser floss um Telarions Knie. Das schmale Gewässer, durch das er und sein Milchbruder nun schon seit Tagesanbruch marschierten, um für
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