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Goldmond

Goldmond

Titel: Goldmond
Autoren: Susanne Picard
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Auch sein Vater Dajaram besaß diese Gaben, und so hatte sich zwischen Vater und Sohn ein besonderes Band gebildet.
    Umso bitterer ist es für Telarion, dass dieses Band zerrissen wurde. Er hatte es von Anbeginn seines Lebens in sich gespürt, immer war der Vater da gewesen, eine in sich ruhende Präsenz, die ihm Halt und Frieden gab. Bis zu jenem furchtbaren Tag, als Flammenpeitschen dieses Band gewaltsam zerrissen.
    Zuerst dachte und hoffte Telarion, der Vater sei nur verletzt. Doch nach dem Schmerz, der ihn beinahe umbrachte, war dort, wo zeit seines Lebens die Verbindung zu Dajaram war, nur noch Leere. Eine finstere Leere, in der seither Feuer haust. Feuer, das nicht hell ist und erleuchtend, sondern vernichtend und düster wie die Nacht.
    An diesem Morgen ist es besonders schlimm. Gestern erhielt Telarion einen Brief seines Zwillingsbruders. Tarind ist um ein Weniges älter als er. Yveth von Kantis brachte ihn und Telarion am gleichen Tag, ja, in der gleichen Stunde zur Welt.
    Doch der Brief schenkte nur wenig Trost. Tarind bestätigt darin, was Telarions Seele längst wusste: wer der Mörder des Vaters ist. Jetzt ist diese Tatsache in Tinte auf Pergament gebannt. Es ist Siwanon Amadian, der, den die Elben den Höchsten der Menschen nennen, ein Fürst der Kinder des Dunkelmonds, welche sich keinen König wählen wie die Elben. Der Herr von Guzar, so heißt es, beherrsche die Magie des Todes und habe vom Dunklen Mond die Kraft erhalten, die Seelen aller Wesen zu vernichten, so er es wünscht. Tarind nahm ihn jenseits des Saphirmeers gefangen, nahm ihm die Magie und brachte ihn hierher.
    Heute wird der ältere Sohn des Dajaram hier eintreffen, zusammen mit seinem Gefangenen.
    Nun hat der brennende Schmerz in der Seele Telarions einen Ursprung. Der Tod hat eine Gestalt und einen Namen.
    Je höher die Sonne steigt, desto schlimmer tobt das Feuer in seinem Inneren. Es ist, als verschlängen die Flammen den Wirbelsturm seiner Seele, und als er schon glaubt, es nicht mehr ertragen zu können, spürt er, dass die Wolken, die den Kampf gegen die dunkle Glut aufgeben wollten, neue Stärke finden.
    Diese Kraft kommt nicht aus ihm selbst. Die Wolken in ihm werden mit einem Mal dichter, kühler und formen sich zu Regen. Erste Tropfen fallen ins Feuer.
    In Telarions magischen Seelenwind mischt sich zögernd eine blaue Kraft, in der sich Goldglanz spiegelt, als scheine der Goldmond darauf. Die Flammen, die ihn zu verzehren drohten, zischen bösartig, sie fürchten sich mit einem Mal und wehren sich gegen die funkelnden Nässe. Doch langsam weichen sie zurück, während die vereinzelten Tropfen nach und nach zu stetem Regen werden.
    Der Windwirbel in ihm gewinnt Kraft aus dem Schauer und klart auf. Erst kann Telarion es kaum glauben, sein Körper bleibt vor Anstrengung angespannt. Doch der Regen fällt sanft und rauschend und drängt die lichtlosen, glühendheißen Flammen zurück. Der Tod verliert an Macht.
    Telarions Atem beruhigt sich.
    Langsam wird ihm bewusst, dass eine wohltuend kühle Hand auf seiner Wange liegt.
    »So kurzes Haar«, spottet eine Stimme, die der seinen gleicht. »Die Frauen am Hof von Bathkor werden sich das ihre raufen, wenn sie sehen, dass du deine Schönheit geopfert hast, um Heiler zu werden, kleiner Bruder.«
    Kühle, feuchte Finger gleiten von der Wange über Telarions Schläfe und berühren die schwarzen Haarfransen, die ihm die Stirn bedecken. Dann zupfen sie spielerisch an den einzigen drei Strähnen, die auf Telarions Schulter fallen und von goldenen, silbernen und grünen Fäden umwickelt sind.
    Telarion muss lächeln. Sein Zwilling Tarind gibt sich gern erfahrener, ist er doch unmerklich älter. Seit Telarion denken kann, weiß Tarind sich zu behaupten und durchzusetzen, auch wenn Telarion vielen als der Klügere gilt. Telarion macht das nichts aus. Er weiß, seine Kraft ist das Heilen, und er ist dankbar, dass er als Prinz sein Leben dieser Kunst widmen darf, statt mit Dajaram, Yveth und Tarind am Hof in Bandothi zu leben.
    Als er die Augen öffnet, ist es, als blicke er in sein Spiegelbild. Tarinds Züge gleichen seinen eigenen aufs Haar, doch während Telarions Augen grün sind wie junges Laub, sind die von Tarind blau wie der Morgenhimmel. In ihnen stehen Stolz auf seinen prinzlichen Rang und ein Wagemut, der Telarion fremd ist.
    »Tarind. Du bist sehr früh hier.«
    Der Bruder erwidert das Lächeln. »Du dachtest wohl, weil Ireti darauf bestand, mich zu begleiten, wäre ich
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