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Goldmond

Goldmond

Titel: Goldmond
Autoren: Susanne Picard
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die Häscher der Königin keine Spuren zu hinterlassen, hatte sich an dieser Stelle überraschend erweitert, sodass sich das Blätterdach der Dutzende von Klaftern hohen Qentarbäume darüber öffnete. Die Purpursonne stand hoch am Himmel, und so waren ihre Strahlen warm. Wärmer als alles, was Telarion im letzten Zehntag gespürt hatte.
    Der Wind seiner Seele wirbelte auf, als heize man ihn unversehens an, stürmte bis in die Fingerspitzen und prickelte dort angenehm.
    Ohne es wirklich zu wollen, streckte Telarion die Hand wie um das Licht einzufangen aus. Er musste bald weiter – der Tempel der Weisen, sein Ziel, war nicht mehr weit –, doch unter den Mammutstämmen der Qentar würde es wieder dämmrig und kühl sein. So, wie es Elben, die Herren des Wassers, der Luft und der Kälte, angemessen war. Dämmriger Wald war ihre Heimat, ebenso wie das Meer.
    Doch das rötliche Licht warb um Telarions Gegenwart. Es umfloss seine Finger und tropfte durch sie hindurch, als wolle es ihn hier an Ort und Stelle festhalten. Für einen Augenblick glaubte er, die Strahlen sammelten sich tatsächlich in seiner Hand. Die Handfläche wurde so warm, als häufe sich Sand aus der Wüste von Solife darauf. Sand, der langvermisste Feuermagie in sich barg.
    Die Magie der Tochter des Siwanon.
    Das Murmeln des Bachs wurde zu ihrem Lachen, das Funkeln des Lichts auf dem Wasser zu einem der raschen Blicke, die Sanara Amadian ihm oft geschenkt hatte, als er versuchte, sich ihre Feuermagie während ihrer Gefangenschaft zu unterwerfen. Er hatte es immer wieder versucht, bis unmerklich das Gegenteil geschehen war: Sie hatte sich in seine Seele geschlichen. Sie hatte ihn, den Heiler, erobert.
    Und er hatte es geschehen lassen.
    Er ballte die Finger zusammen und ließ die Hand sinken. Die Hitze weckte nicht nur gute Gedanken und Gefühle.
    Er rief sich die Geschehnisse ins Gedächtnis, bei denen er das letzte Mal eine feurige Kraft auf der Handfläche gespürt hatte. Es waren üble Bilder, die vor seinem inneren Auge dahinzogen, Bilder, die er nie würde vergessen können. Warmes, lebendiges, lohgelbes Feuer hatte er in der hohlen Hand geborgen, nur um es gleich darauf auf seinen Zwilling zu schleudern. Das Bild von Tarinds zerstörter Seele, einst ein blauer Teich, in den goldglänzender Regen fiel, entstand in ihm. Doch dank der brennenden Körner in Telarions Hand, durch die Macht des Feuers und der Erde, die von Sanara Amadian stammte, versandete und verschlammte dieser Teich. Und so war Tarind gestorben – er war an der tödlichen Hitze erstickt, die sein Bruder auf ihn geschleudert hatte. Der Seelenteich des Königs war ausgetrocknet.
    Er, Telarion Norandar, Heiler der zweiten Ordnung, Heermeister und Truchsess des Königs, hatte seinen Zwilling und den gewählten Herrscher der Elben getötet.
    Tarind hatte den Tod verdient. Und es war nur gerecht, dass Telarion ihm diesen mit der letzten Flamme Sanara Amadians gebracht hatte. Denn er hatte es getan, um zu überleben und König Dajaram zu rächen. Tarind hatte selbst zum Tod des Vaters beigetragen, ja, ihn sogar veranlasst und Telarion dazu gebracht, ihn, den Heiler und Herrn des Lebens, bei einem Mord zu unterstützen. Er hatte seinen Zwilling über ein Jahrzehnt hinweg darüber belogen und ihn benutzt, um sich selbst die Macht zu erhalten.
    Und doch wusste Telarion, egal, wie gerecht der Tod Tarinds auch sein mochte, er machte ihn zum Verräter am eigenen Volk – hatte er den Mord doch nur mit der schändlichsten Magie vollbringen können, die ein Elb sich vorstellen konnte. Selbst die Aufzählung von Tarinds Taten brachte seinem Bruder keinen Frieden.
    Es fiel Telarion schwer, den Willen aufzubringen, sich aus der Lichtinsel über dem Bach zu entfernen. Die Strahlen der Roten Sonne tanzten fröhlich über die Wellen des dahineilenden Bachsund waren Strafe und Glück zugleich. Strafe, weil dieses Feuer ihn an den brennenden Schmerz erinnerte, den er mit dem Tod Dajarams verband und weil es auch dem Bruder den Tod gebracht hatte.
    Glück, weil er diesen Anblick seit drei Mondumläufen mit Freude verband; seit er Sanara Amadian begegnet war. Einem Wesen, das er früher mit dem Tod gleichgesetzt hatte, denn Tarind hatte ihm gesagt, ihr Vater sei der, der Dajaram umgebracht habe. Doch seit sie seine Seele berührt hatte, wusste er, dass Feuer und Hitze nicht nur Tod bedeuteten. Beides war auch Leben, Gesang und Lachen.
    Sanara Amadian.
    Wieder war ihm, als seien es ihre Finger, die über
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