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Goldmond

Goldmond

Titel: Goldmond
Autoren: Susanne Picard
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seiner eigenen Familie, ja, in seiner eigenen Seele verursachten, verhärtet Telarions Herz.
    Er erwidert Tarinds Blick nun offen. »Lass uns gehen«, sagt er grimmig.
    Als sie an das Verlies kommen, in dem man den Menschenfürsten gefangen hält, ist Telarion zunächst überrascht. Das Gelass, in dem man den Fürsten gefangen hält, sieht in seinen Augen beinahe idyllisch aus, auch wenn es kaum mehr als eine Mulde im Berg ist, drei Klafter tief in den Fels gehauen. Der graugrüne Granit, in den die Grube geschlagen wurde, wird ständig von der Gischt des Wasserfalls daneben benetzt, und so sind Boden und Wände des Verlieses mit saftig grünen Moospolstern bewachsen, die die Kanten des Felsens mildern, ja, sogar bequem sein mögen. Die Luft ist so durchdrungen von kühlem, glitzerndem Wasser, dass die Strahlen der Weißen Sonne kleine Regenbogen über der Grube bilden. Zwischen den Mooskissen haben sich auf dem Boden klare Wasserlachen gebildet, manche eine Handbreit tief, sodass einem, der dort festgehalten wird, ständig frisches Wasser zur Verfügung steht.
    Nur langsam wird Telarion klar, welche Qual diese von den Magien der Pflanzen und des Wassers durchdrungene Umgebung für einen Dunkelmagier wie den Fürsten bedeuten muss. Siwanon Amadian ist bekannt dafür, dass er nicht nur der Magie gebietet, Seelen in die Jenseitige Ebene zu bringen. Er besitzt auch die Kraft des Feuers, das durch die Gischt ständig gelöscht wird. Erschöpft lehnt der Fürst der Menschen in einer Ecke an der Wand, die trockener ist als der Rest des Gelasses.
    Plötzlich lodert Zorn in Telarion auf. Der Zorn fühlt sich heiß an, fremd und düster. Er wandert um die Mulde herum, er will dem Mörder des Vaters, dem Auslöser von so viel Leid und Tod, ins Gesicht sehen. Doch der Fürst hat den Kopf gesenkt. In Telarion erwacht eine feine Stimme, die sagt, dass dieses kraftlose Geschöpf dort unten kaum noch Feuer für sich selbst besitzt, geschweige denn solches, das den jüngeren Prinzen von Norad nähren könnte. Doch er ignoriert sie. Tarind hat recht: Jemand, der so viel Leid auslöste, verdient das Mitleid eines Heilers nicht.
    Dann erwacht der Dunkelmagier. Als spüre er die Anwesenheit Tarinds und Telarions, sieht er plötzlich auf. Sein Blick ist wie ein Feuerstrahl, denn die Augen des Fürsten von Guzar leuchten im leuchtenden Gelb des Bernsteins. Die Pupillen darin sind rund und dunkel wie die Nacht, nicht goldfarben, und geformt wie ein liegender Arkanuss-Kern.
    Telarion schaudert unter diesem Blick. Erst, als er ihn abschüttelt, kann er sich auf die Gestalt des Fürsten konzentrieren, die weniger fremd anmutet. Der Fürst wirkt groß, edel, auch wenn seine Haut mit dunklen Sommerflecken übersät ist, so wie Akusu, der Dunkelmond, mit Feuern bedeckt ist. Die Flecken lassen die Haut des Fürsten schmutzig erscheinen. Sein Gewand war einst von prachtvollem Gelb wie das Feuer, an den Säumen mit Bergkristallen und Diamanten bestickt. Es wirkt, als sei es einer Rüstung nachgebildet. Telarion fühlt sich unwillkürlich an die alten Darstellungen des Syth in den Tempelwänden der Feste Bathkor erinnert. Syth, den man auch den Schöpfergeist des Chaos und der Vernichtung nennt, wird meist als Krieger abgebildet.
    Auch die Haartracht des Fürsten erinnert an die des Syth. Viele der Strähnen, manche von hellem Blond, manche beinahe braun, sind zu dünneren oder dickeren Zöpfen geflochten, andere ähnlich wie bei Telarion mit dunklen, gelben und silbernen Bändern umwunden, wieder andere hat der Fürst verfilzen lassen. Doch keinem Haar wurde gestattet, frei zu fallen wie das der Elben.
    Telarion weiß, so ist es Sitte bei den Kindern des Dunklen Mondes. Keines von ihnen trägt die Haare offen.
    Obwohl der Fürst schwach erscheint, lässt die Ähnlichkeit mitdem Schöpfergeist der Zerstörung ihn bedrohlich wirken, und Telarion hat auf einmal Mühe, die Flammen, die seine Seele zu verschlingen drohen, im Zaum zu halten. Sie lodern beim Anblick dieses Seelenherrn höher auf denn je.
    Auch wenn es dem Dunkelmagier offenbar an Kraft fehlt, richtet er sich auf, als er seine hohen Besucher erkennt. Für einen Augenblick ist zu erkennen, dass er ein Mensch von großer Macht gewesen ist. Er muss sich an die feuchte, von Moos glitschige Wand stützen, doch er sieht furchtlos zu den Zwillingsprinzen auf. Im gleichen Moment erscheint hinter ihm, hinter einem Busch am Rand der Mulde, ein dunkler Fleck, der das Licht zu schlucken
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