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Gold in den roten Bergen

Gold in den roten Bergen

Titel: Gold in den roten Bergen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sie aus und fühlte sich nach dieser köstlichen Erfrischung wieder so gekräftigt, daß er aufrecht weiterlief, zwei Stunden vielleicht, um dann von neuem in die Knie zu brechen.
    Einmal begegnete er einer giftigen Mulgaschlange. Mitten auf seinem Weg lag sie, zwischen zwei Spinifexbüscheln, und hob zischend den Kopf. Angurugu hätte um sie herumgehen können, zwischen anderen Spinifex hindurch, aber dazu war er schon zu schwach, denn jeder Umweg kostete Kraft. Auf den Knien rutschend, hieb er mit seinem Knüppel auf die Schlange ein. Er traf ihren verdickten Hals, erwischte ihren Kopf und legte sein ganzes Gewicht in den Schlag. Ob sie tot oder nur betäubt war, wußte er nicht … Er kroch über sie hinweg, weiter den gewundenen roten Wüstenpfad entlang, den der Wuchs der Spinifexbüsche bestimmte.
    An eine Mahlzeit aus Fleisch kam er nicht mehr … Wenn ein Mensch sich nur noch auf Händen und Füßen fortbewegt, kann er nicht mehr jagen, auch keine Echsen mehr, die nun schneller sind als er, oder Vögel, die über ihn lachen, oder eine Kowari, eine Beutelmaus, die ohne Angst vor ihm herumflitzt, als wisse sie, daß dieser Mensch am Ende angelangt ist.
    In der Nacht zum 29. Tag lag Angurugu auf seiner geliebten roten Erde, fühlte sich nach dem Austrinken von zehn Parakeelyas ungewöhnlich stark und war doch nicht mehr in der Lage weiterzukriechen.
    Um ihn herum stachen die Skelette der Wüstenpappeln in den Sternenhimmel. Er fühlte es in seinem ganzen gepeinigten Körper, daß die Straße nicht mehr weit sein konnte, und er sagte zu sich: »Du schaffst es! Angurugu, du kannst dein Leben retten. Ich werde stärker sein als der Fluch der Götter, und wenn ich in Alice Springs bin, wenn mich die weißen Ärzte gerettet haben, dann haben die Götter versagt. Diesen Jesus werde ich anbeten, diesen merkwürdigen fremden Gott, der gesagt haben soll: Liebet eure Feinde. Du sollst nicht töten. Alle Menschen sind Brüder. Wer kann so etwas verstehen? Wie kann man seine Feinde lieben? Aber ich werde an diesen Jesus glauben, wenn ich weiterleben darf.«
    In den letzten Nächten sprach Angurugu öfter zu sich selbst, hörte seiner Stimme zu und freute sich, daß da noch ein Klang war.
    Und dann tat er noch etwas anderes: Er holte unter seinem Hemd ein Stück weiches Känguruhleder hervor und betrachtete es. Das Kostbarste, was er besaß … Er wollte es dem Arzt schenken, der ihm das Leben rettete. Für ihn, Angurugu, hatte es keinen Wert mehr. Es hatte eigentlich nie einen Wert gehabt, denn ein Aboriginal in der roten Wüste hat keine Verwendung für so etwas. Aber für einen Weißen bedeutete es sehr viel, das größte Glück sogar, das wußte der Aboriginal. Dieses Stück Leder veränderte das Leben eines Weißen, und wer sein, Angurugus, Leben rettete, sollte es von ihm bekommen.
    Neunundzwanzig Tage bis zur Straße …
    Und da war es nun, das breite rote Band – von der Timor-See im Norden bis zur Großen Australischen Bucht des Pazifik im Süden –, die Lebensader eines ganzen Erdteils, fast schnurgerade das riesige Land durchteilend, verflucht von den Truckerfahrern, die diese 3.241 Kilometer herunterreißen mußten, diese höllische Strecke durch das rote Herz Australiens.
    In dieser Nacht weinte Angurugu zum ersten Mal in seinem Leben. Er lag auf dem Bauch, starrte auf die Straße und erreichte sie nicht mehr. Seine Finger krallten sich in den Wüstenboden, mit der Stirn schlug er auf die heilige Erde ein, und jede Träne, die in den roten Sand tropfte, nahm die letzten Funken von Kraft mit, höhlte ihn endgültig aus.
    »Mit uns wird es nichts mehr, Jesus«, sagte er in dieser Nacht. »Es ist vorbei. Meine Götter sind doch stärker als du … Diese kurze Strecke bis zur Straße, die kannst du mir nicht weiterhelfen.«
    Noch einmal versuchte Angurugu, auf Hände und Knie zu kommen und weiterzukriechen. Vergeblich – er kippte einfach um. Aber die Hände gebrauchen, das konnte er noch. Mit ihnen tastete er den Boden ab und scharrte so viel trockenes Holz zusammen, daß er einen kleinen Haufen zusammenbekam und an das bleiche Gerippe einer Wüstenpappel schieben konnte. Am Morgen hatte er genug, um ein Feuer zu entzünden … ein Signal für die Tracks, die in roten Staubwolken an ihm vorbeidonnerten. Es war Angurugus letztes verzweifeltes Rufen; ein Brand in der Wüste erzeugt immer Aufmerksamkeit. Wie leicht kann daraus ein Flächenbrand entstehen und auch die Straße gefährden …
    Angurugu begann mit dem
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