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Gold in den roten Bergen

Gold in den roten Bergen

Titel: Gold in den roten Bergen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Weiterleben begonnen. Das große, rettende Ziel – die Straße – war Angurugus einziger Gedanke geworden. Wenn jemand ihm in der roten Einsamkeit der australischen Wüste helfen konnte, dann waren es die weißen Ärzte in Alice Springs.
    Doomadooa allerdings hätte sie nie zu Hilfe gerufen, um nicht einzugestehen, daß die Medizin der Götter weniger wert war als die Pillen und Spritzen der Weißen.
    Wie allen Stämmen in den Wüsten-Reservaten des Nordterritoriums, des Outback, hatte die Regierung auch den Namatooas ein Funkgerät gegeben, mit dem sie im Notfall die amtlichen Stellen in Alice Springs, Tennant Creek oder Katherine erreichen konnten. An alles hatte man gedacht, selbst daran, daß man Batterien in der Wüste nicht aufladen kann. Deshalb hatte man mit dem Funkgerät auch ein Fahrrad geliefert, mit dem man Strom erzeugen konnte, indem man kräftig in die Pedale trat und einen Dynamo antrieb, der wiederum das Funkgerät speiste.
    Beides, Fahrrad und Funkgerät, verstaubte im roten Wüstensand, nachdem Doomadooa einmal versucht hatte, mit dem Rad zu fahren, nach sechs Metern gestürzt war und sich die Knie aufgeschlagen hatte. Seither rührte niemand mehr das Fahrrad an, weil Doomadooa es verflucht hatte.
    Zur Straße, zurück ins Leben hatte es Angurugu getrieben. Meile um Meile durch hitzeflimmernde Wüste, durch lautlose Unendlichkeit war er gewandert, sorgsam die scharfen Spinifexbüschel umgehend, die auch die verlederten Fußsohlen eines Aboriginals aufschlitzen können. Und dann in der Nacht die Rast unter einem verdorrten Baum, eine Mahlzeit aus Wasser und getrocknetem Känguruhfleisch, das man in der Mundhöhle aufquellen ließ.
    Wenn man danach auf der roten Erde lag, im Schoß der ›Großen Mutter‹, über sich einen Sternenhimmel von wunderbarer, unfaßlicher Schönheit, schöpften der geschundene Körper und Geist neue Hoffnung. Dann hatte Angurugu wieder ein Ohr für den glöckchenhaften Gesang der kleinen Wüstenvögel, der blauweißen Stachelschwänze. Auch der Flötenvogel ließ perlende Tonkaskaden hören, in die etwas aggressiv das scharfe Pfeifen des Fliegenschnäppers einfiel.
    Das war so am neunten Tag der Wanderung gewesen … am vierzehnten Tag; Angurugu hatte sein Nachtlager an einem Tamariskengebüsch aufgeschlagen. Er hörte das durchdringende Gelächter des Kookaburra, des Lachvogels, und es klang so, als verspotte ihn der Vogel. Und Angurugu hatte gedacht: Ein Idiot bist du. Nie kommst du bis zur Straße. Die Götter haben dich verurteilt …
    Nun lagen neunundzwanzig Tage hinter Angurugu, neunundzwanzig mal fünfzehn Stunden Wanderung durch glühende Sonne und in einem Land, das sich in Millionen Jahren nicht verändert hatte. Es waren vierhundertfünfunddreißig Stunden Kampf um jeden Meter Wüstenboden und neunundzwanzig Nächte in der sich schnell abkühlenden Einsamkeit, es war der Wechsel von dumpfer Hitze bis zum frierenden Zusammenkrümmen in der Bodenkuhle, die der eigene Körper geformt hatte.
    Aber das Ziel kam näher und näher, mit jeder Stunde, mit jedem Schritt … Ab und zu hielt Angurugu an, hob schnuppernd wie ein Dingo, ein Wüstenhund, die Nase und meinte, die ferne Straße schon riechen zu können. Sage bloß keiner, eine Straße habe keinen Geruch! Wer in der Wüste aufwächst, riecht eine Auspuffgaswolke wie eine Hyäne das Aas.
    Am 22. Tag war Angurugus Vorrat an Känguruhfleisch verbraucht. Am Tag darauf schüttete er den letzten Tropfen Wasser aus dem ausgehöhlten Kürbis über seine ausgetrockneten, ledernen Lippen.
    Von jetzt an renne ich doppelt um mein Leben, sagte er sich. Nicht nur gegen meine unbekannte Krankheit, sondern nun auch gegen Hunger und Durst. Ich muß die Straße erreichen, bevor die letzte Kraft von mir gewichen ist. Ich muß …
    An den nächsten Tagen aß er Echsen oder Schlangen, die er mit einem Knüppel erschlug, und suchte die Wüsten-Grevillie, einen Strauch mit zapfenähnlichen Stengeln, der die Eigenschaft hat, Nektar in sich zu sammeln, und den man auslutschen kann.
    Ein großes Glück war es, wenn Angurugu eine Parakeelya entdeckte, ein fleischiges Kraut, das in seinen Trieben die Feuchtigkeit des letzten, vor langer Zeit gefallenen Regens zu speichern vermag und das dann blutrot blüht, eine der schönsten Pflanzen der Wüste.
    Am 26. Tag war Angurugu schon so schwach, daß er nur noch kriechend von einer Parakeelya zur anderen kommen konnte; er lag dann an den Sträuchern, aß die wasserspeichernden Triebe, saugte
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