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Rettungskreuzer Ikarus Band 037 - Nemesis

Rettungskreuzer Ikarus Band 037 - Nemesis

Titel: Rettungskreuzer Ikarus Band 037 - Nemesis
Autoren: Dirk van den Boom
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1.
     
    »Ehrwürdiger Vater, hier sind die neuesten Zahlen!«
    Bruder Lavinus legte ein Memopad auf den breiten, jedoch schlicht gehaltenen
Schreibtisch des Erzpriors. Decorian warf nicht einmal einen Blick darauf. Er
winkte den Bürovorsteher fort. Was interessierten ihn Kirchensteuereinnahmen
oder die Höhe des Spendenaufkommens? Selbst die Einkünfte aus den
Wirtschaftsunternehmen der Kirche ließen ihn jetzt kalt, denn er war in
einer Situation, in der man mit Geld nur noch in sehr begrenztem Maße
etwas tun konnte.
    Ihm schwammen die Felle davon.
    Der Erzprior war verzweifelt.
    Er bemühte sich zwanghaft, sich diese Verzweiflung nicht ansehen zu lassen.
Haltung bewahren, eine gute Figur machen – das Schauspiel war schon zu
Beginn seiner Kirchenkarriere in sein Blut übergegangen. Decorian wusste,
dass das Bild nach außen, der Eindruck auf den Zuschauer, bei allem, was
er tat, von höchster Bedeutung war. Seine Angst und seine Verwirrung niemandem
zu zeigen, hing eng mit seinen Chancen auf Überleben zusammen, denn er
hatte offenbar auf das falsche Pferd gesetzt.
    Er begann, das Rennen zu verlieren. Sein Einsatz war beachtlich gewesen, seine
Investitionen groß, und Blut klebte an seinen Händen. Nicht nur an
seinen.
    Diesmal sah er hoch, als jemand sein Büro betrat. Die Person, die ihn jetzt
aufsuchte, hatte jederzeit freien Zutritt. Der hoch gewachsene, schlanke Mann
mit dem fast schönen Gesicht sprühte normalerweise vor Energie, was
wesentlich zu seinem Charisma beitrug. Dieses Charisma hatte ihm eine fanatische
Gefolgschaft beschert, die ihn für eine Art Messias hielt. Eine Gefolgschaft,
die vor keiner Tat, auch keiner blutigen, zurück schreckte, wenn es ihr
Meister nur befahl. Doch jetzt erkannte Decorian auch in den Augen Asianos die
Furcht und die Suche nach einem Ausweg.
    Obgleich sich ihre Beziehung in den letzten Wochen merklich abgekühlt hatte,
da Asiano trotz seiner formal dem Erzprior untergeordneten Position immer größere
Freiheiten erlaubt hatte, waren sie nun auf Gedeih und Verderb einander ausgeliefert.
Decorian hatte seine Vorbereitungen getroffen, sicher, und wäre der Lauf
der Ereignisse anders gewesen, hätte er sich Asianos zum geeigneten Zeitpunkt
entledigt. Kurz. Schmerzlos. Oder vielleicht doch nicht so schmerzlos, je nachdem,
wie sehr ihm der Sektenführer auf die Nerven gefallen war.
    Doch das ging jetzt nicht mehr, denn es konnte gut sein, dass er die Dienste
dieses Mannes noch einmal brauchte, für eine sehr wichtige, ja lebensnotwendige
Angelegenheit: ihre gemeinsame Flucht, ihre Sicherheit.
    Asiano setzte sich, ohne eine Aufforderung abzuwarten. Dass er nicht seine Füße
auf den Schreibtisch stellte, war schon verwunderlich genug. Decorian musste
sich beherrschen, um den formellen Leiter der Einsatztruppe der Galaktischen
Kirche, der Fedajin, die nach mehreren Säuberungen fast nur noch aus Gefolgsleuten
des Sektenführers bestanden, nicht anzublaffen.
    »Hast du die aktuellen Nachrichten gehört?«, begann Asiano unvermittelt
das Gespräch.
    Das Duzen konnte Decorian ihm auch nicht mehr abgewöhnen, damit wurde eine
Gleichwertigkeit ihrer Positionen angenommen, die der Erzprior nicht für
gegeben hielt. Doch Decorian erschien wie die Ruhe selbst, lächelte freundlich,
ließ sich nichts anmerken.
    »Ich bin auf dem Laufenden, mein Freund!«, entgegnete er mit samtweicher
Stimme. »Alle sind auf dem Laufenden, die Priore, mein Büro, die Angestellten,
jeder verdammte Bürger auf diesem verdammten Planeten weiß, was passiert
ist.«
    »Joran ist im Arsch«, fasste Asiano seine Sichtweise der Dinge knapp
zusammen, und ausnahmsweise verspürte der Erzprior keine Notwendigkeit,
ihm zu widersprechen.
    »Wir sind auch bald am Arsch«, fügte der Fedajin-Führer
hinzu. »Sobald man Joran endgültig erledigt hat, wird man seine Verbindungen
zu dir und zu mir aufdecken. Dann haben wir in kürzester Zeit die Inquisition
am Hals. Die Gegenkirche von Serbald, Dante und den anderen Apostaten wartet
nur darauf, dass sie den Laden wieder übernehmen können.«
    »Ich bin mir der Bedrohung durchaus bewusst.«
    »Und? Welche Vorkehrungen für unsere Sicherheit hast du getroffen?«
    Decorian runzelte die Stirn.
    »Ich? Wieso ich? Wer ist denn der Chef des Sicherheitsapparates? Oder hast
du die Absicht, mich um deine vorzeitige Entlassung zu bitten?«
    Asiano lachte kehlig auf; es klang falsch
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