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Gold in den roten Bergen

Gold in den roten Bergen

Titel: Gold in den roten Bergen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Feuerreiben. Wie seine Ahnen vor Tausenden von Jahren rieb er zwei Hölzer aneinander, bis sich erst ein dünner Rauch und dann ein glimmendes Feuerchen zeigten. Damit zündete er das gesammelte Holz an, und als es brannte, wälzte er sich erschöpft, nun wirklich aller Kraft entledigt, auf den Rücken, zog den Hemdfetzen wieder über seinen Kopf und wartete ergeben auf die Rettung oder den Tod.
    Wolfgang Herbarth war nach Australien ausgewandert, weil ihm in Deutschland niemand einen beruflichen Aufstieg versprechen konnte. »Wie kann man auch Geologie studieren!« hatten seine Freunde gesagt und ihn mitleidig angesehen. »In der Forschung hat man kein Geld, in den staatlichen Bauämtern und Planungsbehörden sind die Stellen besetzt, da stehen die Leute Schlange; im Ausland haben sie genügend eigene Geologen, sogar Sibirien ist überfüllt mit ihnen, und auch Alaska braucht keine mehr … Laß dich umschulen, Wolf, und werde Zahnarzt. Fang noch mal von vorn an … Zahnarzt ist der Beruf der Zukunft! Bei unseren Eßgewohnheiten wackeln in zwanzig Jahren schon den Zehnjährigen die Zähne. Pro Mensch braucht man dann bei einer siebzigjährigen Lebenserwartung drei bis vier Zahnprothesen … Das ist eine Zukunft mit Gold! Aber Geologie? Du hast ja 'n Stich!«
    Wolf Herbarth hatte das eingesehen, damals vor rund zehn Jahren. Nur fing er kein zweites Studium als Zahnarzt an, nicht weil er zu faul dazu gewesen wäre, sondern weil es ihm nicht gefallen hätte, ständig in anderer Leute Mundhöhlen zu starren. Er tat statt dessen etwas völlig Verrücktes in den Augen seiner Freunde: Er wanderte nach Australien aus.
    »Der ist bald wieder da«, sagte man. »Auf dem Zahnfleisch kommt er zurück. Als Auswanderer in Australien muß man ein Boxertyp sein, einstecken und austeilen können. Es gibt kein Land, wo einem die gebratenen Tauben in den Mund fliegen.«
    Wolf Herbarth hatte das auch nicht erwartet. Als er mit leidlichen Kenntnissen der englischen Sprache in Sydney landete, empfing ihn auf dem Flughafen ein Onkel seiner Mutter, ein Chemiker, der schon seit vierunddreißig Jahren in Wollongong an der Pazifikküste wohnte und dort ein kleines chemisches Werk aufgebaut hatte. Onkel Herbert hatte für den ihm unbekannten Neffen gebürgt und somit die Einwanderung ermöglicht.
    »Mit Geologen können wir hier die Straße pflastern«, hatte er gleich bei der Fahrt von Sydney nach Wollongong zu Herbarth gesagt. Er fuhr einen klimatisierten Chevrolet und schien gut zu verdienen. »Australien ist immer noch zu drei Fünfteln Neuland, das entdeckt werden will – wie Sibirien, nur nicht so kalt. Allerdings ist alles längst vermessen worden. Jeder Bach hat seinen Namen, jeder Hügel steht auf den Karten eingezeichnet, es gibt nichts Unbekanntes mehr … Und doch wird man immer wieder davon überrascht, was unter der Kruste liegt. Das ist wie bei einer schönen Frau: Wenn man sie ausgezogen hat, beginnt das Staunen. Die Folge davon: Es gibt Geologen genug. Deshalb schlage ich vor: Fang bei mir in der Firma an.«
    »Von Chemie habe ich nur so viel Ahnung, wie man in der Geologie braucht.«
    »Das reicht, lieber Neffe.« Onkel Herbert winkte lässig ab. »Ich stelle Tinte her, Tinte in allen Variationen. Von der guten alten Füllhaltertinte bis zu den Tintenpasten in den Minen. Dazu die Füllungen von Kugelschreibern, Faserschreibern, Rollkugelschreibern – eben einfach alles, womit man schreiben kann. Irgendwie beschäftigen wir dich schon.«
    Die ersten zwei Jahre hatte Wolf Herbarth an einer Spezialmaschine Minen für Tintenschreiber hergestellt. Es war eine sture Arbeit. Die Maschine war ein Automat, der alles selbständig ausspuckte. Herbarth brauchte nur dabeizusitzen und abzuwarten, ob es eine Störung gab, sich etwas verklemmte oder der Zubringer stockte. Dann hätte es nämlich Minen ohne Tinte gegeben. Aber kann solch eine Arbeit einen Menschen wie Wolf Herbarth befriedigen?
    Onkel Herbert ließ nach diesen zwei Jahren seinen tatendurstigen Neffen ziehen. »Du kannst jederzeit zurückkommen«, sagte er zum Abschied und drückte ihm tausend Dollar in die Hand. »Nur noch eins auf den Weg: Dieses Land gibt dir jede Chance, aber es kann auch ein gnadenloses Land sein. Wer hier schlapp macht, ist weniger wert als ein nasses Handtuch.«
    Wolf Herbarth merkte das sehr schnell. Er arbeitete in einigen Berufen, die absolut nichts mit seinem Geologiestudium zu tun hatten. Er wurde Träger im Schlachthof und wuchtete Rinderhälften
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