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Göttin der Rosen

Göttin der Rosen

Titel: Göttin der Rosen
Autoren: P.C. Cast
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roten Kerze berührte, flammte sie sofort auf, und Mikki spürte eine Welle der Hoffnung. Ohne Zögern ging sie zur blauen Kerze. »Glitzernder, schimmernder Lebensstrom, du badest uns, kühlst uns, stillst unseren Durst und gibst uns Leben. Ich rufe dich, Wasser, in den heiligen Kreis.« Durch den brennenden Docht glaubte Mikki, die blaue Kerze wogen und schimmern zu sehen wie Meereswellen. Dann stand sie vor der grünen Kerze. »Üppig und fruchtbar, vertraut und doch wild umfängst du uns auch in der Menschenwelt und sorgst immer für uns. Ich rufe dich, Erde, in den heiligen Kreis.« Nun stellte Mikki sich wieder an ihren Platz neben der lila Kerze. »Ich rufe dich, Geist, in den heiligen Kreis mit den beiden Worten, die mich an meine Göttin gebunden haben – ›Liebe‹ und ›Vertrauen‹.« Sie zündete die lila Kerze an und ließ das Streichholz fallen. Als sie sich umschaute, stellte sie jedoch enttäuscht fest, dass sie keine Lichtstrahlen entdecken konnte, die sich ineinander verwoben und die Elemente in den Kreis banden.
    »Verzage nicht, weil du sie in diesem Reich nicht sehen kannst«, erklärte Sevillana, als hätte sie Mikkis Gedanken gelesen. »Sieh sie in deinen Gedanken. Glaube daran, dass sie da sind. Die Macht des Glaubens einer Empousa ist allein schon Magie.«
    Mikki nickte und stellte sich in Gedanken die feinen Gewebe vor, die den Kreis begrenzten.
    »Nun, bringen wir es zu Ende«, sagte sie entschlossen, bückte sich und hob das Messer auf. Dann sah sie Sevillana an, und die alte Frau streckte ihr die Hand hin, die Handfläche nach oben gewandt. Mit einer raschen, geübten Bewegung zog Mikki die scharfe Klinge in einer langen Linie über die dünne Haut auf Sevillanas Handfläche. Als das Blut hervorquoll, gab Mikki Sevillana das Messer. Nun nahm die frühere Empousa Mikkis Hand fest in ihre und schnitt ihr in die Handfläche. Daraufhin ließ sie das Messer fallen, die beiden Frauen drückten die Handflächen zusammen und mischten so das Blut aus vielen Generationen von Hekates Hohepriesterinnen.
    Mikki schloss die Augen und klärte ihre Gedanken. Als sie sprach, machte sie sich nicht die Mühe, ihre Stimme zu senken. Wenn es klappte – wenn es ihnen wirklich gelang, die Göttin herbeizurufen –, würde ohnehin kein Sterblicher den Kreis betreten können. Und wenn nicht … wenn nicht, dann war es Mikki gleichgültig, was mit ihr passierte.
    »Hekate, Große Göttin des Dunklen Mondes, Scheideweg zwischen Mensch und Tier. Ich bin Mikado Empousai, Hohepriesterin und Empousa des Reichs der Rose. In einem Land fern von Euch habe ich mich gesalbt, Euren heiligen Kreis beschworen, und nun rufe ich Euch nach dem Recht meines Blutes bei Eurem Namen. Es gibt ein Gelöbnis zwischen uns, einen mit Liebe und Vertrauen besiegelten Schwur. Und mit der Kraft dieses Schwurs beschwöre ich Eure Präsenz und bitte Euch, mich zu erhören.«
    Plötzlich kam ein heftiger Wind auf, und die Kerzenflammen flackerten heftig. Der Nebel waberte und füllte sich mit einem Glitzern, bis aus dem Zentrum des Wirbels aus Wind, Klang und Licht Hekate erschien. Die Göttin zeigte sich in vollem Ornat, bekleidet mit den Gewändern der Nacht und dem Kopfschmuck der Sterne, in der Hand die goldene Fackel. Zu ihren Füßen knurrten die riesigen Hunde.
    Laut rief Mikki den Namen der Göttin, aber Sevillanas tränenerstickte Stimme unterbrach sie. Die alte Frau entzog Mikki ihre Hand und fiel auf die Knie.
    »Große Göttin! Vergebt mir!«, schluchzte Sevillana, und Tränen strömten über ihr faltiges Gesicht. »Was ich getan habe, war falsch. Viele Jahre habe ich für meinen unverzeihlichen Irrtum gebüßt. Das dumme, egoistische Mädchen, das Euch verraten hat, existiert nicht mehr.«
    Hekates Gesichtsausdruck war unergründlich, aber ihre Stimme klang sanft. »Und was hast du daraus gelernt, Sevillana?«
    »Ich habe gelernt, dass es Dinge gibt, die zu verlieren weit schrecklicher ist, als mein Leben herzugeben.«
    »Welche Dinge meinst du?«
    »Meine Ehre … meinen Namen … und die Liebe meiner Göttin.«
    »Die Liebe deiner Göttin hast du nie verloren, meine Tochter.«
    Sevillana schlug die Hand vor den Mund und versuchte, ihr Schluchzen zu unterdrücken. Mikki fasste die alte Frau bei der Schulter und gab ihr durch ihre Berührung Kraft.
    »Werdet Ihr mir vergeben, Hekate?«, brachte Sevillana endlich heraus.
    »Mein Kind, ich habe dir schon vor langer Zeit vergeben. Aber du warst nicht imstande, dir selbst zu
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