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Glutopfer. Thriller

Glutopfer. Thriller

Titel: Glutopfer. Thriller
Autoren: Michael Lister
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gedacht hast, Chef«, sagt sie und staunt, wie leicht und munter sie wirken kann. »Ich melde mich, sobald ich was weiß.«
    Während Daniel allein im Wald wartet, geht er auf und ab, überlegt, sucht nach Spuren und achtet auf genügend Abstand zum alten Depot, damit er dem Geruch entgeht und den Tatort nicht kontaminiert.
    So viel Tod, denkt er. So viel Leiden.
    Leben ist leiden. Mit diesen drei Worten beginnt nicht nur der Buddhismus, sondern auch die Weisheit selbst.
    Er spürt, dass eine Attacke im Anmarsch ist.
    Klopfendes Herz.
    Schwindliger Kopf.
    Panik.
    Druck.
    Angst.
    Verlust.
    Der Anblick dieser grauenhaften Überreste und der unverwechselbare Gestank einer verkohlten Leiche haben gewaltsam den Deckel einer Kiste im Keller seines Unterbewusstseins geöffnet. Nun fallen Bilder, Gerüche, Geräusche aus dem ultimativen Wachalbtraum eines Kindes herab wie Funken und Asche eines hungrigen, rasch um sich greifenden Feuers, das alles auf seinem Weg verzehrt.
    Das muss aufhören.
    Er lebt nun schon so lange mit der Angst, dass sie ihm mehr als vertraut ist – er hat es sich darin geradezu bequem gemacht. Wenn er sie nicht bald unter Kontrolle bekommt, wird es darüber hinaus nichts mehr geben.
    Er holt tief Luft, um das Nahen der Panikattacke zu bremsen.
    Doch auf einmal, genau wie als Kind, ist er in etwas unbeschreiblich Warmes, Liebevolles, Starkes gehüllt und beginnt, wieder normal zu atmen – beinahe sofort.
    Was ist da gerade passiert?
    Du weißt es. Das gab es schon mal.
    Das ist eine Weile her.
    In seiner Jugend hat er nach der traumatischsten Erfahrung seines Lebens etwas Unerklärliches, Transzendentes, Unsagbares gespürt – etwas, das ihn auf einen Weg gebracht hat, der letztlich von dieser Erfahrung wegführte und sie in einem Ausmaß verdunkelte, dass er oft daran zweifelte, sie je gemacht zu haben.
    Was er jetzt empfindet, schafft nur eine vage Verbindung zu dem vergangenen Vorfall, genügt aber als Geschmack, als Erinnerung, um ihm Kraft zu geben und das Gefühl aufzufrischen, dass – was? Dass etwas möglich ist?
    Seine Gedanken kehren zu der verkohlten, aschenen Masse im Depot zurück, die nicht mehr als menschlich zu erkennen ist.
    Die Geduld, die es braucht, um einen menschlichen Körper so vollständig zu verbrennen, der Aufwand, das Experimentieren im Vorfeld, die schiere Willenskraft – all das ist fast so verstörend wie die Tat an sich.
    Er war schon länger nicht mehr an einer Ermittlung beteiligt, auch etwas, das die Angst ihm geraubt hat – und nun begreift er, wie sehr ihm das fehlt.
    Ob man ihn bitten wird, sich an dieser zu beteiligen? Ob er das wollen würde? Ob er dazu in der Lage wäre? Es scheint ein Fall zu sein, bei dem sein Sachverstand hilfreich sein könnte, und er würde die Herausforderung genießen, zweifelt aber ernstlich daran, dass man ihn fragen wird oder dass er, einmal gefragt, der Aufgabe gewachsen wäre.

4
    Ein aus Bay County ausgeliehener Gleisinspektor mit Zweiwegefahrzeug bringt Sam und den Sheriff von Pine County zum Tatort. Bei ihrem Gefährt handelt es sich um einen ausgewachsenen, ganz normalen Pick-up mit stählernen Schienenrädern auf einem hydraulischen System, das sich nach Bedarf heben und senken lässt. Solche Hi-Rails werden für die Inspektion und Wartung von Gleisanlagen genutzt und können sowohl auf der Straße als auch auf Schienen betrieben werden.
    Die Fahrt auf dem unebenen Gleis ist holprig, und Sam, die als Kleinste und als Frau in der Mitte sitzt, wird von den beiden großen Männern eingequetscht.
    Sie ist nicht sicher, ob der Sheriff vor dem Fahrer sprechen will, und überlegt, wie sie am besten vorgeht.
    »Was können Sie mir erzählen?«
    »Nicht viel übrig von der Leiche«, sagt er. »Es wundert mich, dass der Typ, der sie gefunden hat, überhaupt wusste, was er da vor sich hat.«
    »Wer hat sie entdeckt?«
    »Pensionierter Professor von der FSU .«
    Sie fragt sich, ob sie ihn kennt, was unwahrscheinlich ist, wenn er nicht im Fachbereich Kriminologie tätig war.
    »Wie heißt er?«
    »Sie waren an der FSU ?«
    Sam nickt.
    »Daniel Davis.«
    Ihre Augenbrauen schnellen nach oben, und ein kleines Lächeln zeigt sich auf ihrem Gesicht. Die Ironie ist zum Lachen. Wie wahrscheinlich ist so was?
    Waren meine Gedanken an Daniel womöglich ein Wink des Universums, um mich darauf vorzubereiten, dass ich ihn wiedersehe? Oder wollte es mich nur ein bisschen verarschen? Daniel würde für Ersteres plädieren, ihrer Erfahrung nach
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