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Glutopfer. Thriller

Glutopfer. Thriller

Titel: Glutopfer. Thriller
Autoren: Michael Lister
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Zeugen.
    Die zahlreichen Kriminaltechniker des FDLE untersuchen das Depot, als würden sie in einem ganz normalen Fall von Brandstiftung ermitteln, und sammeln die üblichen drei Typen von Beweismitteln: Spurenmaterial, eventuelle Brandbeschleuniger und Hinweise auf Ursache und Ursprungsort des Feuers. Sie haben zunächst das Gelände abgesucht und darauf geachtet, ob etwas nach Brandbeschleuniger aussieht oder riecht, und durchkämmen nun vorsichtig den kleinen Raum, wobei sie den Tatort aus jedem denkbaren Winkel fotografieren, Beweismittel markieren und Messungen anstellen.
    Sie verhalten sich wie immer, wenn sie wegen Brandstiftung ermitteln, obwohl der Fall völlig anders liegt. Sams Teil der Ermittlungsarbeit hat noch gar nicht begonnen, aber sie weiß schon jetzt, dass sie so etwas noch nie gesehen hat.
    Es geht nicht um Brandstiftung, es geht um Mord – mit Feuer als Waffe.
    Obwohl das kleine Eisenbahndepot aus altem, morschem Holz besteht, haben Feuer und Rauch kaum Schaden angerichtet. Die meisten verkohlten Leichen werden in den schwarzen Ruinen abgebrannter Gebäude gefunden, weil jemand Beweise vernichten wollte, doch dieser Akt flammenden Terrors soll kein Verbrechen verbergen – er ist das Verbrechen.
    Viel beängstigender als der Tatort an sich wirkt die Leiche in seiner Mitte, wie auch der Kontrast zwischen dem Ausmaß ihrer Vernichtung und den Schäden am Gebäude. Sam hat jahrelang verbrannte Leichen betrachtet, am Tatort und auf einschlägigen Fotos in Lehrbüchern oder Ausbildungshandbüchern – aber eine, die so komplett vom Feuer verzehrt war wie diese, hat sie noch nie gesehen.
    Die formlose Masse auf dem Boden ist bis zur Unkenntlichkeit verkohlt. Unkenntlich die Hautfarbe. Das Geschlecht. Die Spezies. Nur sehr wenig lässt sich noch als menschlich identifizieren, und es ist schwer vorstellbar, dass ein menschliches Wesen zu so unfassbarer Unmenschlichkeit in der Lage ist.
    Daniel steht unter einer hohen Kiefer bei den Gleisen, auf deren anderer Seite das Depot beziehungsweise der Tatort liegt. Hinter ihm erstreckt sich meilenweit scheinbar undurchdringlicher Kiefern- und Hartholzwald mit dichtem Unterholz. Er fühlt sich geradezu nackt in seinen Laufshorts und dem T-Shirt, verletzlich unter all den uniformierten Polizisten, Leuten vom Rettungsdienst, Kriminaltechnikern, und in erster Linie vor Sam.
    Seine verschwitzten Kleider waren bereits getrocknet gewesen, als er in Begleitung des ersten Deputy mit dem Hi-Rail zum Depot zurückkam, doch inzwischen ist fast Mittag, und er spürt, dass sich wieder feuchte Tropfen über seinen Rücken schlängeln.
    Er kann noch immer nicht fassen, was da gerade passiert. Als er an Bens Reaktion denkt, muss er lächeln. Das hat man davon, wenn man an Rosch ha-Schana joggen geht, hatte er kopfschüttelnd gesagt.
    Nachdem Daniel und Ben mit Preacher Gibson gesprochen hatten, war Ben gegangen, doch Daniel hatte man gebeten, den Sheriff und seine Männer zum Tatort zu begleiten und dort auf die leitende Ermittlerin vom FDLE zu warten. Auf die Idee, dass es Sam sein könnte, wäre er allerdings nie gekommen. Es war so überraschend wie aufregend gewesen, sie so weit weg von Miami mitten im North Florida Wildlife Preserve zu treffen.
    Das kleine, verfallene Depot besteht aus einem einzigen Raum; Eingangstür und Fensterscheiben sind nicht mehr vorhanden, und im morschen Dach klafft ein großes Loch. Das Gebäude ist windschief, rankenüberwuchert, mit Gras und Unkraut bewachsen und sieht aus, als würde es jeden Moment zusammenfallen.
    Während er beim Sichern des Tatorts zusieht, wird ihm klar, wie sehr es ihm gefehlt hat, an Ermittlungen beteiligt zu sein, und schon zerbricht er sich den Kopf über diesen Fall, auf den er rein zufällig gestoßen ist. Eigentlich ist er nur in Sachen Verbrechen mit kultischen Elementen qualifiziert, und obwohl er als Berater meistens in sicheren Büros oder Besprechungsräumen tätig war, haben ihn schon immer alle Aspekte kriminalistischer Ermittlungsarbeit fasziniert.
    Warum hat der Täter das Opfer in diese Wildnis gebracht? Um mit ihm allein zu sein? Um nicht gestört zu werden? Oder gab es andere, bedeutungsvollere Gründe? Und wann ist es passiert? Weil es so intensiv nach verkohltem Fleisch riecht und der mit schwarzer Flüssigkeit getränkte Aschehaufen immer noch schwelt, geht er davon aus, dass es nicht lange her sein kann.
    Daniel tritt gegen einen langen Hakennagel, der sich zusammen mit einem großen Holzspan aus
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