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Glutopfer. Thriller

Glutopfer. Thriller

Titel: Glutopfer. Thriller
Autoren: Michael Lister
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erhält sich selbst.
    Es lodert so lange, wie es Brennstoff hat. Die Hitze der Flamme hält den Brennstoff auf Zündtemperatur, also braucht es nur Nahrung. Feuer breitet sich aus, weil seine Flammen jeden Brennstoff in der Umgebung erhitzen und dabei Gase freisetzen, die ihm bei seiner Mission der Läuterung helfen.
    Feuer fasziniert ihn schon, seit er sich erinnern kann. Als Kind erstrahlte er im Licht der Kerzenflammen auf seinem Geburtstagskuchen. Seither wird er von seiner Leidenschaft für Feuer verzehrt. Zu Beginn und für einen großen Teil seiner frühen Reise war er nicht sicher, was den Sinn seiner Gaben und seine Berufung betraf. Er legte Feuer, steckte Mülltonnen an, setzte Gebäude in Brand, brachte gewissermaßen Opfer dar, aber all das war so beliebig, so bedeutungslos. Und trotzdem begreift er nun, dass das die Vorbereitung für seine wahre Mission gewesen ist.
    Er liebt das Feuer, feiert das Feuer, ist das Feuer. Er weiß alles, was man über Feuer wissen kann.
    Er weiß zum Beispiel, dass die Form einer Flamme von der Schwerkraft abhängt. Die heißesten Gase der Flamme haben eine geringere Dichte als die Luft um sie herum, also steigen sie nach oben, wo der Druck niedriger ist. Aus diesem Grund breitet sich Feuer normalerweise nach oben aus, und Flammen laufen spitz zu. Ohne die Einwirkung der Schwerkraft ist Feuer kugelförmig. Unterschiedliche Brennstoffe entzünden sich bei unterschiedlichen Temperaturen.
    Jedes Feuer ist einzigartig, denn Feuer lebt.
    Wenn sich Kohlenstoffatome erhitzen, steigen sie auf und geben Licht ab.
    Die Farbe einer Flamme variiert je nach Hitze und Intensität, der heißeste Teil an der Basis glüht blau, die kühlere Spitze flackert orange oder gelb.
    Aber vor allem weiß er, dass Feuer nicht nur etwas Chemisches ist, etwas Physisches, sondern etwas Spirituelles.
    Feuer ist eine Macht.
    Feuer ist Leben und Licht, Schöpfung und Zerstörung.
    Feuer ist Gott, und Gott ist Feuer.
    Feuer säubert und läutert.
    Feuer verzehrt – gänzlich und ohne Rücksicht oder Re­spekt.
    Feuer ist unerbittlich und zwingt der Welt seinen Willen auf.
    Feuer ist ein Instrument, ein Werkzeug, eine Waffe.
    Er ist eine Waffe, in Flammen geschmiedet, aus Flammen geboren.
    Er ist Feuer. Sein zu Asche verkohltes Herz brennt in seiner Brust und setzt seinen eigenen Willen durch. Ja, das wird es. Oh ja.
    »Warum hat er irgendwas mit da raufgenommen?«, fragt Gibson.
    Kriminaltechniker bearbeiten gerade Baum und Hochstand. Gibson und Sam stehen in der Nähe herum und sehen zu. Daniel Davis wurde nach Hause geschickt und wird später befragt.
    Sam schüttelt den Kopf.
    »Keine Ahnung. Wenn das Labor uns sagen kann, wor­um es sich handelt, finden wir es möglicherweise heraus, aber wahrscheinlich nicht mal dann. Die meisten Ritualmörder folgen einer inneren Logik, die außer ihnen keiner kennt. Vielleicht erfahren wir es nie – nicht mal, wenn wir ihn fassen.«
    Sam versucht, das Beben tief in ihrem Inneren zu beherrschen und sich zu beruhigen. Ungeheure Angst überkommt sie, wenn sie an den Mörder denkt, für dessen Ergreifung sie verantwortlich ist. Sie macht sich keine Illusionen. Es wird gefährlich und schwierig werden und vielleicht sogar tödlich ausgehen. Nach dem zu urteilen, was sie bisher gesehen hat, geht es hier um etwas, das wirklich böse ist. Dieser Mann hat schon einmal getötet, wahrscheinlich mehrmals. Er geht organisiert, methodisch und gnadenlos vor. Sie ist ihm nicht gewachsen. Vielleicht ist das niemand.
    »Und Sie glauben wirklich, es könnte der Professor sein?«
    »Davis?«, fragt sie. »Ich weiß nicht genau. Wir sollten ihn beobachten. Schon interessant, dass er es heute unbedingt bis zum Depot schaffen wollte und sogar ohne seinen Freund weitergelaufen ist. Und dass er in dem Haufen da drin eine Leiche erkannt hat.«
    Der Hi-Rail-Pick-up hat Daniel zu seinem Wagen gebracht und kommt nun zurück. Sam sieht, dass ein Passagier im Wagen sitzt – allem Anschein nach ein Polizist in Zivil.
    »Gut«, sagt Gibson, als er sich umdreht und den Pick-up sieht. »Steve ist da.«
    Sam sieht zu, wie der übermäßig muskulöse junge Polizist aus dem Pick-up steigt und auf sie zustolziert. Er trägt teure, elegante Schuhe, dunkelgraue Hosen mit Bügelfalte und Aufschlag, ein enges, tailliertes weißes Frackhemd, dessen Schnitt seine Bemühungen im Fitnessstudio hervorheben soll, und eine grau-schwarze Seidenkrawatte – Steve sieht nicht aus wie ein Polizist, sondern wie
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