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094 - Die Droge aus der Jenseitswelt

094 - Die Droge aus der Jenseitswelt

Titel: 094 - Die Droge aus der Jenseitswelt
Autoren: A.F.Morland
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Alastair Genn war 80 Jahre alt geworden, ein Umstand, der ihn veranlaßte, auf sein langes, erfülltes und ereignisreiches Leben zurückzublicken.
    Trotz seines hohen Alters war er immer noch ein drahtiger Mann, der sich den Stürmen des Lebens nicht beugte, sondern ihnen entschlossen trotzte.
    Er sah so aus, wie man sich einen alten Fischer vorstellt, der den größten Teil seines Lebens auf dem Meer verbracht hat. Sein Haar war immer noch dicht. Früher war es rotblond gewesen. Als er auf die Vierzig zugegangen war, hatte es angefangen, sich zu verfärben, und heute war es weiß. Um die grauen Augen hatte Genn eine Menge Falten, und da er täglich viele Stunden an der frischen Luft verbrachte, war sein Teint nicht ungesund blaß, sondern leicht gebräunt.
    80 Jahre. Ein stolzes Alter. Wer erreicht das schon? Und noch dazu in dieser gesunden geistigen und körperlichen Frische. Das mußte einfach gefeiert werden, und Alastair Genn hatte die Männer in sein Haus eingeladen, die ihm auf seinem Lebensweg die meiste Freude gemacht hatten.
    Fünf Männer. Alle waren einmal seine Schüler gewesen.
    Denn Alastair Genn hatte bis ins hohe Alter ein Lehramt bekleidet. Er hatte an der Universität als Theologieprofessor gearbeitet, und seine besten Schüler hatte er an diesem Abend um sich versammelt.
    Er war stolz auf diese Männer, die sein Wissen so dankbar angenommen hatten. Nicht alle waren Priester geworden. Diesen Weg hatte eigentlich nur einer eingeschlagen: Pater Severin, die ›urigste‹ Type von allen.
    Ein Mann wie ein Baum mit dem Gesicht eines Pferdes. Er war die Güte in Person, doch das sah man ihm nicht an. Er sah aus wie ein Rabauke, der ständig auf der Suche nach Streit zu sein schien. Einen ungewöhnlicheren Priester als Pater Severin hatte die Kirche nicht.
    Der Jubilar saß an der langen Tafel im Salon. Die Geschenke, die seine einstigen Schüler mitgebracht hatten, lagen auf dem geschlossenen Klavier, neben dem sich bunte Blumensträuße regelrecht türmten und einen süßen Duft verströmten.
    Natürlich wurden eine Menge Reden gehalten, die alle mit den besten Wünschen für Glück und Gesundheit endeten, und der geistig frische Greis, der immer schon sehr schlagfertig gewesen war, wußte auf jede Rede eine witzige Antwort.
    Sie hatten einander viel zu erzählen, denn sie hatten sich lange nicht gesehen.
    »Sag mal, Severin, stimmt es, daß du deine Schäfchen hin und wieder sogar verprügelst, um sie auf den Pfad der Tugend zurückzubringen?« fragte Leo Sim grinsend. Er war Eigentümer, Herausgeber und Verleger einer großen Kirchenzeitung.
    Die anderen lachten.
    »Nun«, sagte der Gottesmann in der Soutane, »bevor ich einen Menschen aufgebe, greife ich lieber zu diesem Mittel.«
    »Severin hatte immer schon eine Handschrift, die man sich merken mußte«, sagte Brett Taurog amüsiert. Er war der Chefredakteur der Kirchenzeitung. »Erinnert ihr euch noch an den Boxkampf, den er mit diesem bulligen Kerl - sein Name ist mir entfallen - bestritt? Wir verkauften Karten, und der Erlös kam einem Waisenhaus zugute. Auch Wetten haben wir angenommen. Kaum jemand setzte auf Severin, denn der Bullige galt als unbesiegbar.«
    »Aber Severin hat ihn in der dritten Runde flachgelegt«, erinnerte sich John Joyce, der heute in der Kirchenverwaltung tätig war.
    »Und die Waisenkinder feierten die schönsten Weihnachten ihres Lebens«, sagte Pater Severin stolz.
    Der alte Theologieprofessor sah ihn erstaunt an. »Davon wußte ich bis heute nichts.«
    Pater Severin bleckte sein Pferdegebiß und schaute den Greis mit seinen dunklen Knopfaugen treuherzig an. »Wir mußten die Sache damals geheimhalten, weil die Austragung des Kampfes nicht erlaubt war. Sie hätten Ärger mit dem Rektor bekommen können, deshalb weihten wir Sie nicht ein.«
    »Es war ein sehenswerter Kampf«, behauptete Henry Jenkins, der in Genns Fußstapfen getreten und Theologieprofessor geworden war. »Obwohl er schon ein paar Jährchen zurückliegt, kann ich mich noch sehr gut daran erinnern.«
    »Und so etwas habt ihr mir vorenthalten«, schmollte der Jubilar. »Das ist beinahe unverzeihlich.«
    Leo Sim blickte zum Fenster.
    »Wenn ich gewußt hätte, daß Sie so gern dabei gewesen wären, hätten Sie von mir eine Extraeinladung bekommen«, sagte Pater Severin.
    Ihm fiel auf, daß Sims Augen einen verwunderten Ausdruck annahmen. Leo Sim saß ihm gegenüber.
    Zuerst glaubte Pater Severin, Sim würde ihn ansehen, doch dann erkannte er, daß der
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