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Gluecklich, wer vergisst

Gluecklich, wer vergisst

Titel: Gluecklich, wer vergisst
Autoren: Edith Kneifl
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was er über Franzi gesagt hatte.
    „Franzi ist meine Schwester?“, fragte ich ungläubig.
    „Ja, mein Schatz. Beruhige dich, es war vor deiner Zeit. Ich wusste bis vor einer halben Stunde selbst nicht, dass ich der Welt nicht nur eine schöne Tochter geschenkt habe. Ich habe die Kleine immer wie ein Vater geliebt. Das ist mir erst jetzt bewusst geworden. Als mich die Baronin anrief und mir dieses ganze Drama geschildert hat …“
    „Hör auf, Victor. Du hast Franzi nie leiden können. Hast Angst gehabt, dass sie einen schlechten Einfluss auf mich haben könnte, weil sie viel selbstbewusster und frecher war als ich.“
    „Du erfindest, wie immer, deine Geschichte neu.“
    Was meinte er denn damit nun wieder?
    „Walpurga hat mich vorhin angerufen und mir alles gestanden.“
    Ich war sprachlos. Walpurga war eine Jugendfreundin von Victor. Sie hatten sich bei einem Konzert der Wiener Musikhochschule kennengelernt. Er hatte zu dieser Zeit das Reinhardt-Seminar besucht, während sie Klavier und Komposition an der Hochschule studiert hatte. Nach meiner Geburt verbrachten meine Eltern fast jeden Sommer zwei Monate mit mir auf Schloss Welschenbach am Attersee. Eine billige Sommerfrische, idyllisch und vornehm zugleich. Mir war nie der Gedanke gekommen, dass Victors Vorliebe für diesen See auch erotische Gründe haben könnte.
    „Ja, ich habe tatsächlich erst heute erfahren, dass Franzi meine Tochter ist“, schrie mein Vater ins Telefon.
    Ich hielt den Hörer ein paar Zentimeter weg.
    „Kurz bevor Gisela mit dir schwanger wurde, hatten deine Mutter und ich uns vorübergehend getrennt. Ich verbrachte den Sommer damals allein am Attersee. Gisela blieb in Wien, arbeitete an ihrer Diplomarbeit. Walpurga war eine sehr attraktive, junge, todunglückliche Witwe. Und es kam, wie es kommen musste …“ Er seufzte herzerweichend.
    „Und du warst ein sehr attraktiver, junger Witwentröster“, murmelte ich resigniert. Dann begann ich nachzurechnen und herrschte ihn an: „Erzähl keinen Mist, Papa. Franzis Vater starb, als sie zweieinhalb Jahre alt war. Wenn du willst, dass ich dir helfe, musst du mir die Wahrheit sagen.“
    „Wahrheit? Du kannst einem alten Mann nicht verdenken, wenn er ein paar Jahreszahlen durcheinanderbringt.“
    Alter Mann? Sehr interessant. War das seine neue Masche? Schärfer, als ich es beabsichtigt hatte, sagte ich: „Also, ihr hattet schlicht und einfach eine Affäre miteinander? So was soll hin und wieder vorkommen.“
    „Sei nicht so zynisch, mein Kind. Ich wollte es dir ja gerade erklären.“
    „Was gibt es da zu erklären? Mich interessiert nur, wer wen umgebracht hat.“
    „Das weiß ich nicht. Die Polizei verdächtigt unsere arme Franzi, ihren Stiefvater Philip Mankur ermordet zu haben, diesen zweitklassigen Sänger und Schmierenkomödianten.“
    „War er nicht früher einmal dein bester Freund?“
    Papa ignorierte meinen Einwand und fuhr aufgeregt fort: „Angeblich hat sie ihn mit einem Schürhaken erschlagen. Nein, ich glaube, sie hat seine Eier damit aufgespießt.“
    „Mit einem Schürhaken?“
    „Ich weiß nicht genau, was passiert ist, Schatz. Auf jeden Fall war’s Totschlag, vielleicht sogar Mord. Die arme Walpurga kann sich keinen ordentlichen Anwalt für ihre Tochter leisten, deshalb hat sie sich an mich gewandt.“
    „An den liebenden Vater! Was für eine rührende Geschichte. Du hast doch auch kein Geld.“
    „Deshalb habe ich ja gedacht, dass du …“
    „Einen teuren Anwalt bezahlen soll? Du spinnst wohl.“
    „Joe, lass mich ausreden. Es gibt einen Enkel. Franzi hat einen Sohn. Ist das nicht wunderbar?“
    Ein Stammhalter! Na endlich! – Bevor ich völlig ausrastete, verlegte sich Victor aufs Bitten: „Josefa, bitte, Liebes, es geht um unsere Familie. Wir beide haben sonst niemanden mehr“, sagte er mit weinerlicher Stimme.
    Obwohl mir eher zum Lachen zumute war, konnte ich seinem flehenden Ton nicht widerstehen. Ich hatte meinem Vater noch nie was abschlagen können. Allerdings ließ ich ihn all seine Überredungskünste aufbieten, bevor ich mich gnädigerweise bereit erklärte, ein letztes Mal Detektivin zu spielen.
    Morde passierten mir einfach. Aber warum musste ich mich immer gleich einmischen? Ich wollte eigentlich nichts mit Mord und Totschlag zu tun haben, war im Grunde ein ängstlicher Mensch. Doch meine Neugier und mein Gerechtigkeitssinn waren anscheinend ebenso stark entwickelt wie meine Ängstlichkeit.
    Jan würde zwar nicht erfreut sein, wenn er
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