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Gluecklich, wer vergisst

Gluecklich, wer vergisst

Titel: Gluecklich, wer vergisst
Autoren: Edith Kneifl
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Künstler und andere Exzentriker.“
    „Ich weiß, Gustav Klimt hat in einigen seiner Bilder Schloss Kammer, die Insel Litzlberg und Unterach verewigt“, sagte ich schnell, um mir einen Vortrag über Klimt zu ersparen. Ich erinnerte mich recht gut an Walpurgas pädagogische Ader.
    „Nicht nur Klimt ließ sich von unserem See inspirieren, auch große Komponisten und Musiker wie Gustav Mahler, Johannes Brahms oder Hugo Wolf liebten diese Gegend. Viele dieser Künstler waren im Landgut Berghof am Fuße des Schafbergs jahrelang auf Sommerfrische.“
    „Weil sie nichts bezahlen mussten“, warf ich boshaft ein. „Auch vor hundert Jahren waren Künstler abhängig von ihren Mäzenen. Der Wiener Adel folgte ja eher dem Kaiser nach Bad Ischl und hatte mit den armen Künstlern weniger am Hut.“
    Walpurga schien mir nicht zugehört zu haben. „Schriftsteller wie Hugo von Hofmannsthal und Arthur Schnitzler oder Verleger wie die Fischers waren gern bei uns zu Gast …“
    „Schriftsteller und Komponisten waren von ihren reichen Verlegern abhängig. Und die Maler natürlich von ihren Sammlern. Künstler und Prostituierte besitzen eben eine gewisse Ähnlichkeit. Aber wenigstens mussten diese Herren nicht ihre Körper an die Neureichen verkaufen, sondern nur ihre Bilder oder ihre Manuskripte. Doch wer weiß …?“, sagte ich augenzwinkernd.
    „Friedrich Gulda hatte auch ein Haus am See“, fuhr Walpurga unbeirrt fort. Sie war schon immer humorlos gewesen. „Und Maria Jeritza besaß gleich zwei Villen in Unterach …“
    „Schreibst du die Texte für die Prospekte des Fremdenverkehrsamtes?“, unterbrach ich sie gereizt. Mir reichte ihre Aufzählung all der prominenten Gäste. Ich war hier, um ihrer Tochter, die im Knast saß, zu einem guten Anwalt zu verhelfen.
    „Entschuldige bitte, Joe. Ich rede einfach gedankenlos irgendwas daher.“
    Sofort tat es mir leid, diese alte Dame, die ich nicht mehr mochte, seit ich wusste, dass sie die Geliebte meines Vaters gewesen war, so schroff zurechtgewiesen zu haben. Hatte ich sie eigentlich früher gemocht? Ich war mir nicht sicher. Als kleines Mädchen hatte ich mich vor ihr gefürchtet. Sie war sehr streng gewesen, vor allem mit Franzi. In späteren Jahren hatte ich ihr manchmal ganz gern zugehört. Sie war eine gebildete Frau, allerdings hatte sie die Lehrerin nie leugnen können. Walpurga hatte einem immer alles zwei- oder dreimal erklärt, wahrscheinlich weil sie, so wie viele andere Pädagogen, ihre Mitmenschen für kleine minderbemittelte Idioten hielt.
    An den alten Baron von Welschenbach, Walpurgas ersten Mann, konnte ich mich nicht mehr erinnern. Als er sich erhängt hatte, war ich zwei Jahre alt gewesen. Aus Erzählungen meiner Eltern wusste ich, dass Walpurga ihn jedes Jahr erneut hatte überreden müssen, ein paar Zimmer im Schloss an Sommerfrischler aus Wien zu vermieten. Angeblich hatte er mit dem Touristenpack nichts zu tun haben wollen. Mit extrem günstigen Preisen war es ihr gelungen, vor allem junge Schriftsteller und Schauspieler anzulocken, so wie meinen Vater.
    Mir fiel auf, dass wir bisher weder ihn noch Franzi erwähnt hatten, obwohl dieses überraschende Wiedersehen nur wegen ihnen zustandegekommen war.

    Das alte baufällige Schloss lag etwa einen Kilometer vom See entfernt auf einer Anhöhe zwischen Seewalchen und Litzlberg und war umgeben von einem riesigen Park, der Anfang des 19. Jahrhunderts angelegt worden war und rund um den sich ein dichter Mischwald ausdehnte. Die Welschenbachs hatten damals mit Napoleon sympathisiert, und als die Ager für kurze Zeit zum Grenzfluss zwischen Österreich und dem mit Frankreich verbündeten Bayern wurde, erlebten das Schloss und seine Bewohner eine Hochblüte. Das Westufer des Sees und damit auch Schloss Welschenbach gehörten einige Jahre zum Bayrischen Königreich und standen daher unter französischem Einfluss.
    Das Schloss war im Laufe der Jahrhunderte so oft umgebaut und renoviert worden, dass von dem ursprünglich barocken Prunk nicht viel übrig geblieben war. Der Anstrich schrie förmlich nach Erneuerung. Das Schönbrunn-Gelb war einem schmutzigen Beige-Grau gewichen. Eine breite Außentreppe führte auf eine große Terrasse, von der aus man früher den See gesehen hatte. Jetzt waren die Baumwipfel so hoch, dass man den See nur mehr erahnen konnte.
    Das massive Eingangstor befand sich auf der Rückseite. Links, gleich neben dem Eingang, waren die Küche und die früheren Gesindestuben untergebracht, die
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