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Gletschergrab

Gletschergrab

Titel: Gletschergrab
Autoren: Arnaldur Indridason
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eine Routineaktion handelt. Verweisen Sie auf den Verteidigungsminister, falls die Isländer Probleme machen sollten. Ich spreche mit ihm. Ich werde auch dafür sorgen, dass die zuständigen isländischen Behörden in Kenntnis gesetzt werden und eine Erklärung bekommen. Die Isländer reagieren sehr empfindlich auf alles, was unseren Militärstützpunkt dort betrifft. Immanuel Wesson wird unsere Botschaft in Island übernehmen und dort als unser Sprecher fungieren. Alle weiteren Informationen bekommen Sie auf der Hinreise.«
    »Ich nehme an, dass es sich um eine geheime Operation handelt?«
    »Sonst hätte ich Sie nicht hinzugezogen.«
    »Keflavík. Jetzt erinnere ich mich. Gab es nicht 1967
    irgendeinen Zwischenfall da oben auf dem Gletscher?«
    »Wir haben jetzt bessere Satelliten als damals.«
    »Sind es dieselben Koordinaten wie damals?«
    »Nein. Die Position hat sich geändert. Dieser verdammte Gletscher ist ständig in Bewegung«, sagte Carr und unterbrach die Verbindung ohne ein Wort des Abschieds. Er mochte Ratoff nicht. Er stand auf, öffnete einen großen Glasschrank und entnahm ihm zwei kleine Schlüssel, die er in der Hand wog. Der eine war etwas größer als der andere, aber beide waren sehr schmal und gehörten offenbar zu einem kleinen Schloss. Er legte sie wieder zurück in den Schrank.
    Es war schon viele Jahre her, dass Carr die Felge betrachtet hatte. Er holte sie aus dem Schrank und wog sie in der Hand. Er las die Aufschrift: Kruppstahl. Das war die Bestätigung für den Absturz. Das Fabrikat passte zu Typ und Größe der Maschine, zu Baujahr und Tragfähigkeit. Die Felge war der Beweis, dass das Flugzeug oben auf dem Gletscher war.
    Und jetzt war es endlich gefunden.
    Nach all den Jahren.
    18

    2
    Kristín schloss die Augen. Sie fühlte, wie ihr der Kopfschmerz in die Stirn kroch. Der Kerl hatte sie jetzt bereits zum dritten Mal in ihrem Büro aufgesucht und gab dem Ministerium die Schuld daran, dass er betrogen worden war. Die beiden letzten Male hatte er schon versucht, sie mit seinem rücksichtslosen und unverschämten Verhalten einzuschüchtern. Er drohte mit einer gerichtlichen Klage, falls er nicht in irgendeiner Form Schadenersatz für den angeblichen Fehler des Ministeriums erhalte. Zweimal hatte sie sich diesen Sermon schon anhören müssen, und beide Male hatte sie sich zusammengerissen und sich bemüht, ihm sachlich und verständlich zu antworten. Er schien ihren Worten nicht die geringste Beachtung zu schenken.
    Jetzt saß er zum dritten Mal in ihrem Büro, und die Litanei ging wieder von vorne los.
    Sie schätzte ihn auf rund vierzig, vielleicht zehn Jahre älter als sie selbst, und der Altersunterschied schien ihm zu genügen, um sich in ihrem Büro breit zu machen und Drohungen auszustoßen, sie sogar mit abfälligen Äußerungen wie »ein junges Ding wie du« herabzuwürdigen. Er versuchte gar nicht, seine Verachtung ihr gegenüber zu verhehlen. Ob es daran lag, dass sie eine Frau war, oder daran, dass sie Juristin war, konnte sie nicht einschätzen. Sie nahm an, dass er meinte, so mit ihr umspringen zu können, weil sie jünger war als er und dazu noch eine Frau. Er hieß Randolf. Wahrscheinlich wurde er Randy genannt, dachte sie und grinste innerlich. Sein Dreitagebart war außergewöhnlich gepflegt, und sein volles schwarzes Haar war mit glänzendem Gel zurückgestrichen. Er trug einen dunklen Anzug mit Weste, an der mit einer dünnen Silberkette eine Uhr befestigt war. Ab und zu holte er sie mit seinen langen, dünnen Fingern heraus und öffnete sie wichtigtuerisch, als hätte er keine 19

    Zeit für diesen Quatsch. So hatte er es selber ausgedrückt.
    Recht hatte er, was den Quatsch betraf, dachte sie. Er verkaufte transportable Gefrieranlagen nach Russland, und das Außenministerium sowie die Handelskammer waren ihm dabei behilflich gewesen, entsprechende Geschäftsbeziehungen aufzubauen. Er hatte vier Units rausgeschickt, wie er sich ausdrückte, nach Murmansk und Kamtschatka, aber noch keinen einzigen Rubel dafür erhalten. Er behauptete, die Juristin, die früher im Ministerium tätig gewesen war, habe vorgeschlagen, die Units zu verschicken und die Rechnung erst hinterher zu stellen, um den Auftrag unter Dach und Fach zu bekommen.
    Das hatte er getan, mit der Konsequenz, dass seine Produkte im Wert von fast vier Millionen Kronen jetzt in Russland verschollen waren. Er hatte vergeblich versucht, sie wiederzubekommen, und jetzt forderte er von der Handelskammer und der
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