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Gletschergrab

Gletschergrab

Titel: Gletschergrab
Autoren: Arnaldur Indridason
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Gelände vom Basiscamp am Hof der Brüder hangaufwärts, der andere suchte den Gletscher vom oberen Camp aus ab, solange es hell war. Wenn es dunkel wurde, versammelten sich die Soldaten in ihren Zelten, aßen, schliefen und sangen Lieder, die die Brüder aus dem Radio kannten. Sie übernachteten in britischen Expeditionszelten aus doppeltem Nylon und wärmten sich an Primuskochern und Petroleumlampen. Gekleidet waren sie in dicke Pelzjacken, die bis über die Knie reichten und eine pelzgefütterte Kapuze hatten. Ihre Hände steckten in dicken, groben Handschuhen aus isländischer Wolle.
    Bei dieser ersten Suchaktion wurde vom Flugzeug außer der Felge des Bugrads nichts gefunden. Die Brüder entdeckten sie oben auf dem Gletscher, zwei Kilometer vom Gletscherrand entfernt, und Miller nahm sie sofort in Verwahrung. Der Gletscher war an dieser Stelle ganz eben, und es fanden sich keinerlei Hinweise darauf, dass hier eine Maschine zerschellt oder notgelandet war. Selbst wenn das Flugzeug an dieser Stelle abgestürzt sein sollte, wäre das Wrack sicherlich schon unter Schnee und Eis verschwunden, sagten die Brüder. Der Gletscher hätte es verschlungen.
    Captain Miller war bei der Suche nach dem Flugzeug unermüdlich und gewann schnell die Achtung der Brüder, die ihm mit großer Herzlichkeit und Respekt begegneten und bereit waren, alles für ihn zu tun. Miller fragte die beiden wegen ihrer guten Ortskenntnisse oft um Rat, sodass sich zwischen ihnen bald freundschaftliche Bande entwickelten. Als die Expedition 11

    auf dem Gletscher zum zweiten Mal von schlechtem Wetter überrascht wurde, war Miller schließlich gezwungen aufzugeben. Beim zweiten Wetterumschwung verschwanden ein Zelt sowie andere Ausrüstungsgegenstände unter dem Schnee und waren nicht mehr aufzufinden.
    Zweierlei erstaunte die Brüder während dieser Suchaktion.
    Eines Tages trafen sie Miller allein im Pferdestall des Hofes an. Der Pferdestall war direkt mit dem Kuhstall und der Scheune verbunden. Sie waren durch den Kuhstall hereingekommen und hatten Miller überrascht, wie er bei einem der Pferde in der Box stand und ihm über den Kopf strich. Es schien, als hätte sich der Offizier, der sich durch seine energische Art und seinen konsequenten Führungsstil die Bewunderung der Brüder erworben hatte, zurückgezogen und wäre in Tränen ausgebrochen. Er hatte seine Arme um den Hals des Pferdes gelegt, und seine Schultern zuckten leicht. Als einer der beiden sich räusperte, schrak Miller hoch. Er schaute sie an, und sie sahen, dass die Tränen eine feuchte Spur in seinem schmutzigen Gesicht hinterlassen hatten. Miller bekam sich rasch wieder in den Griff, nachdem er die beiden Brüder bemerkt hatte, wischte sich über das Gesicht und verhielt sich, als sei nichts vorgefallen. Die Brüder hatten miteinander schon öfter über Miller gesprochen. Sie hatten ihn nie nach seinem Alter gefragt, aber er wirkte nicht älter als fünfundzwanzig.
    »Was für ein schönes Tier«, sagte Miller in seiner Muttersprache, aber die Brüder verstanden ihn nicht.
    Wahrscheinlich hat er Heimweh, dachten sie. Der Zwischenfall blieb ihnen im Gedächtnis haften.
    Das andere, was die beiden Brüder merkwürdig fanden, war die Felge des Bugrads. Sie hatten Zeit genug, sie zu untersuchen, bevor Miller hinzukam und die Felge in Verwahrung nahm. Der Reifen hatte sich gelöst, sodass nur noch die nackte Felge an der gebrochenen Aufhängung hing. Sie sprachen anschließend noch lange darüber, dass in die Felge ein 12

    Wort in einer Sprache eingraviert war, die sie noch weniger verstanden als Englisch.
    Kruppstahl.
    13

    1999
    14

    1
    Das Gebäude lag in der Nähe des Weißen Hauses in der Hauptstadt Washington. Früher hatte es als Lagerhaus gedient, bevor es dann für etliche Milliarden umgebaut wurde, um darin eine der vielen geheimen Organisationen in dieser Stadt unterzubringen. Dabei war an nichts gespart worden, weder außen noch innen. Riesige Computer surrten dort den ganzen Tag und werteten Informationen aus dem Weltall aus. In der alten Lagerhalle wurden die Satellitenbilder des amerikanischen Militärgeheimdienstes in Datenbanken gesammelt. Dort wertete man sie aus, sortierte sie und schlug Alarm, sobald irgendetwas Ungewöhnliches zum Vorschein kam.
    Offiziell hieß das Lagerhaus nur Gebäude 312. Die Organisation, die es beherbergte, war einer der Grundpfeiler des amerikanischen Verteidigungssystems während des Kalten Krieges gewesen. Sie wurde Anfang der sechziger
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