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Gletschergrab

Gletschergrab

Titel: Gletschergrab
Autoren: Arnaldur Indridason
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über die Sichtung des Flugzeugs südlich des Gletschers Vatnajökull und die Vermutung, dass es über dem Gletscher abgestürzt sei, wurden direkt telefonisch nach Reykjavik übermittelt. Der Flugsicherung der amerikanischen Besatzungsmacht in Reykjavik, die den gesamten Flugverkehr über Island und dem Nordatlantik koordinierte, waren keine Flugbewegungen zur angegebenen Zeit in der besagten Region bekannt. Angesichts der gefährlichen Großwetterlage war der Flugverkehr auf ein Minimum reduziert gewesen.
    Etwas später am gleichen Tag erreichte den Landrat in Höfn ein Telegramm von der obersten Heeresleitung. Die amerikanischen Streitkräfte übernähmen von nun an die Untersuchung des Falles und würden Rettungsmannschaften auf den Gletscher entsenden. Damit sei die Angelegenheit für die örtlichen Behörden abgeschlossen. Allen Unbefugten sei es untersagt, sich der vermutlichen Absturzstelle auf dem Gletscher zu nähern. Erklärungen dazu wurden nicht abgegeben.
    Vier Tage später trafen zwölf Militärtransporter mit ungefähr zweihundert Mann in Höfn ein. Während der dunkelsten Wintermonate war der Flughafen bei Höfn gesperrt, und die großen Gletscherflüsse im Süden Islands waren unpassierbar.
    Die Militärfahrzeuge hatten jeweils sechs Räder und waren mit Schneeketten ausgerüstet. Sie hatten im Konvoi Nordisland durchquert und waren an den Fjorden der Ostküste entlang zum Vatnajökull gefahren. Auch die Strecke durch Nordisland, die fast um die ganze Insel herumführte, war nahezu unpassierbar.
    Die Hauptstraße, die die Landesteile miteinander verband, war kaum etwas anderes als eine tief verschneite Piste, und im Hochland von Möðrudalur im Nordosten Islands hatten sie sich mühsam den Weg freischaufeln müssen.
    Die Kompanie setzte sich aus Soldaten des 10. Infanterie- und des 46. Artillerieregiments zusammen, die von General Cortlandt Parker befehligt wurden, dem Oberkommandierenden 9

    der auf Island stationierten amerikanischen Streitkräfte. Einige der Soldaten hatten im Winter zuvor an einer Militärübung auf dem Gletscher Eiríksjökull teilgenommen, aber die meisten von ihnen waren noch nicht einmal im Umgang mit Skiern trainiert oder verfügten über andere Erfahrungen mit Eis und Schnee.
    Ein Offizier namens Miller leitete den Einsatz. Die Soldaten schlugen ein Camp in der Nähe von Höfn auf, wo es bereits ein paar Baracken gab, die die britischen Streitkräfte zu Kriegsbeginn dort errichtet hatten. Von dort aus stießen sie weiter in Richtung Gletscher vor. Als die Soldaten bei den beiden Brüdern eintrafen, waren fast zehn Tage vergangen, seit diese das Flugzeug gesichtet hatten. Seitdem hatte es fast ununterbrochen geschneit. Die Soldaten richteten neben dem Hof ihr Basiscamp ein, und die beiden Brüder wiesen ihnen den Weg auf den Gletscher. Sie sprachen kein Englisch, aber mit Gestik und Zeichensprache konnten sie Miller die Flugbahn der Maschine anzeigen und ihm zugleich bedeuten, dass wenig Aussicht bestand, mitten im Winter auf dem Gletscher oder in der näheren Umgebung ein Flugzeug zu finden. »Der Vatnajökull ist der größte Gletscher Europas«, sagten sie und schüttelten die Köpfe. »Genauso gut könnte man eine Nadel in einem Heuhaufen suchen.« Die Lage wurde noch dadurch erschwert, dass inzwischen vermutlich alle Spuren der Bruchlandung unter dem Schnee verschwunden waren.
    Captain Miller verstand ihre Hinweise, schenkte ihnen aber keine Beachtung. Obwohl alles tief verschneit war, konnte der Gletscher vom Hof der Brüder aus bestiegen werden, und sie kamen trotz der widrigen Umstände relativ zügig voran. Die Tage waren kurz. Hell war es nur zwischen zehn Uhr morgens und halb fünf Uhr nachmittags, sodass nicht viel Zeit zum Suchen blieb. Miller hatte seine Leute gut im Griff. Die Brüder kamen schnell dahinter, dass die meisten der Soldaten noch nie im Leben ihren Fuß auf einen Gletscher gesetzt und wenig Erfahrung mit einer winterlichen Mission wie dieser hatten. Die 10

    Brüder führten sie ohne weitere Zwischenfälle an allen Spalten und Abbrüchen vorbei. In einer Mulde am Rand des Gletschers schlugen die Soldaten in elfhundert Meter Höhe ihre Zelte auf.
    Drei Wochen lang suchte Millers Kompanie die Gletscherzungen und ein fünf Quadratkilometer großes Gebiet auf dem Zentralgletscher ab. In dieser Zeit blieb das Wetter stabil, und die Soldaten gingen die Suche äußerst planvoll an.
    Sie teilten sich in zwei Suchtrupps auf; der eine durchkämmte das
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