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Ein toedlicher Verehrer

Titel: Ein toedlicher Verehrer
Autoren: Linda Howard
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    Der Deckenventilator blieb stehen.
    Sarah Stevens war so an das leise Surren gewöhnt, dass die ungewohnte Stille sie augenblicklich aufweckte. Sie zwang ein Auge auf und schielte auf die Digitaluhr, aber keine rote Ziffer strahlte sie durch die Dunkelheit an. Sie blinzelte verschlafen und verwirrt und begriff dann, dass irgendetwas nicht stimmte.
    Der Strom war ausgefallen. Na super.
    Sie wälzte sich auf den Rücken und lauschte. Die Nacht war still; kein Donnergrollen deutete darauf hin, dass irgendwo in der Nähe ein stürmisches Frühlingsgewitter niederging, was den Stromausfall erklärt hätte. Sie ließ nachts die Vorhänge offen, weil ihre Zimmer nach hinten gingen, wo ein dichter Zaun das Gelände vor neugierigen Blicken schützte, und durch ihr Schlafzimmerfenster konnte sie die Sterne blinzeln sehen. Es konnte gar keine Rede davon sein, dass es regnete - der Himmel war nicht einmal bewölkt.
    Vielleicht war eine Umspannstation ausgefallen. Oder ein Auto hatte einen Strommasten gefällt. Für einen Stromausfall gab es zahllose Erklärungen.
    Seufzend setzte sie sich auf und tastete nach der Taschenlampe, die stets auf ihrem Nachttisch lag. Ganz gleich, warum der Strom ausgefallen war, sie musste dafür sorgen, dass Richter Roberts so wenig wie möglich davon mitbekam und dass er nicht mehr als unbedingt notwendig gestört wurde. Zwar hatte er morgen früh keine Termine, aber der nette alte Herr war eigen, was seine Frühstückszeiten anging. Nicht dass er grantig geworden wäre, aber mittlerweile brachte ihn jede Abweichung von seinem geregelten Tageslauf wesentlich mehr aus dem Konzept als noch vor einem Jahr. Er war jetzt fünfundachtzig; er hatte es verdient, das Frühstück serviert zu bekommen, wann es ihm gefiel.
    Sie nahm den Hörer vom Telefon; es war ein alter Apparat mit Schnur, dem der Stromausfall nichts anhaben konnte. Schnurlose Telefone waren eine wunderbare Einrichtung, nur nicht bei Stromausfall. Sarah hatte dafür gesorgt, dass an ein paar strategisch gut gewählten Plätzen im Haupthaus schnurgebundene Apparate standen.
    Sie hörte kein Freizeichen.
    Verdutzt und ein klein wenig irritiert stand sie auf. Ihre beiden Räume lagen über der Garage, wobei das Wohnzimmer mit der Küchenecke nach vorn ging, Schlafzimmer und Bad dagegen wiesen nach hinten. Die Taschenlampe schaltete sie nicht ein; sie war hier zu Hause und brauchte kein Licht, um von einem Zimmer ins andere zu finden. Sie teilte die Vorhänge vor den Wohnzimmerfenstern und schaute hinaus.
    Keine der systematisch über den manikürten Rasen verteilten Leuchten brannte, im Gegensatz zu den sanft glühenden Sicherheitslichtern am Nachbarhaus, die von rechts lange, dichte Schatten über die Rasenfläche warfen.
    Also doch kein Stromausfall. Vielleicht war ja eine Sicherung durchgebrannt; in diesem Fall wäre allerdings nur ein Teil des Hauses betroffen oder die Außenbeleuchtung, nicht jedoch alles zusammen. Sie blieb reglos stehen und kombinierte intuitiv und logisch: (A) Der Strom war ausgefallen. (B) Das Telefon war ausgefallen. (C) Der Nachbar hatte Strom. Der Schluss, zu dem sie gelangte, verlangte keine geistigen Klimmzüge: Jemand hatte die Leitungen gekappt, und der einzig denkbare Grund dafür war, dass jemand ins Haus einbrechen wollte.
    Wie auf Samtpfoten eilte sie barfuß zurück ins Schlafzimmer und holte die Neun-Millimeter-Automatik aus dem Nachttisch. Ihr Handy lag, verflixt noch mal, in ihrem Geländewagen, der hinten im Carport parkte. Sie huschte zur Tür und verwarf dabei den Gedanken, einen Umweg einzuschlagen, um das Handy aus dem Auto zu holen; ihre vordringlichste Aufgabe war es, den Richter zu beschützen. Sie musste zu ihm und dafür sorgen, dass ihm nichts zustieß. Während seines letzten Jahres auf der Richterbank hatte er ein paar wütende Morddrohungen erhalten, die er zwar durchweg als dummes Gerede abgetan hatte, doch Sarah konnte es sich nicht erlauben, so großzügig darüber hinwegzugehen.
    Ihre Einliegerwohnung war mit dem Haupthaus über eine Treppe verbunden, die oben und unten jeweils an einer Tür endete; auf der Treppe schaltete sie die Taschenlampe an, damit sie keine Stufe übersah und ins Stolpern kam, doch sobald sie unten angekommen war, knipste sie das Licht wieder aus. Sie wartete kurz ab, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, und lauschte währenddessen nach einem Geräusch, das nicht hierher gehörte. Nichts. Ganz leise drehte sie den Türknauf und schob, die
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