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Glaube, Liebe, Mafia: Ein Fall für Josif Bondar

Glaube, Liebe, Mafia: Ein Fall für Josif Bondar

Titel: Glaube, Liebe, Mafia: Ein Fall für Josif Bondar
Autoren: Mark Zak
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Sichtweise aber auch mit ihrer schlechten Laune zusammen, die wiederum mit dem Fall Gluschkewitsch zusammenhing. Die beiden weißrussischen Bauarbeiter waren überraschend in ihre Heimat zurückgefahren, noch bevor Judith sie richtig verhören konnte. Und auch Josif konnte ihr den Wunsch nicht erfüllen, die Bauarbeiter ausfindig zu machen.
    Das Toscanini war das Stammlokal des Theaterhauses und wie immer nach Premieren überfüllt. Judith und Josif hatten die letzten freien Plätze neben der Kinderspielecke erwischt. Direkt vor ihnen feierten die Schauspieler laut an einem langen Tisch. Sie sahen, wie der Judas-Darsteller glücklich zu seinen Kollegen an den Tisch zurückkehrte. Vor zehn Minuten war er zum Theater gerannt, weil er sein iPhone in der Garderobe hatte liegen lassen. Josif fiel auf, dass zwei Stühle am reservierten Tisch leer waren. Die Regieassistentin und der Jesus-Darsteller fehlten.
    Josif hatte seine Pizza mit frischem Lachs – angeblich die beste der Stadt – bereits aufgegessen. Judith knabberte noch an ihrem Ruccolasalat. Sie fürchtete eine Gewichtszunahme mehr als einen Serienmörder. Da halfen auch Josifs Beteuerungen nicht, er habe wohl genetisch bedingt durch seinen türkischstämmigen Urgroßvater eine Vorliebe für gut gerundete Weiblichkeit, er sei schließlich kein Hund, der auf Knochen steht.
    Judith sah ihn an. Kurzes grau meliertes Haar, hohe Wangenknochen, ein leichtes Lächeln auf den Lippen nach dem dritten Glas Wein. Als sie mit 18 Jahren und einem Abiturschnitt von 1,2 beschlossen hatte, Polizistin zu werden, konnte sie sich vieles vorstellen, nur nicht, dass sie mit 35 diesen Mann lieben würde: mit seinen undurchschaubaren Verbindungen zur russischen Mafia und dem seltsamen Detektivbüro, wo ständig eine völlig nackte Sekretärin herumlief.
    Im gedämpften Licht des Lokals sahen seine grünen Augen jetzt besonders schelmisch aus. Vielleicht weil er gerade zum Angriff auf die christliche Zivilisation ansetzte:
    »Ein unbedeutender jüdischer Rabbi aus Nazareth, also aus der tiefsten Provinz, macht eine kleine Sightseeingtour durch Jerusalem. Und weil die Pferdekutsche zu teuer ist, setzt er sich auf einen Esel. Ein paar gelangweilte arbeitslose Jugendliche erlauben sich einen Spaß und schreien: ›Der König ist da!‹ Dies war der Anfang des Christentums. Danach folgten mit kurzen Unterbrechungen 2000 Jahre Kriege, Pogrome, Inquisition und Diktatur im Namen des Kreuzes. Und du, eine schöne, kluge, gebildete Frau, bist immer noch so naiv, an dieses Verbrechersyndikat deine Steuern zu zahlen. Grund eins, dich nicht zu heiraten.«
    Judith war mit ihrem Salat inzwischen fertig und hatte mit einer unwiderstehlichen Lust auf Tiramisu zu kämpfen.
    »Grund zwei?« Judiths Stimme klang ironisch, doch ihre klaren grauen Augen verrieten echte Neugierde.
    »Grund zwei …« Josif hielt kurz inne und schaute Judith mit gespieltem Ernst an. Sie hatte heute ihre langen dunkelblonden Haare zu einem Dutt zusammengebunden. Josif mochte es. Er hätte sie jetzt gern auf den Hals geküsst und an ihrem Ohrläppchen gesaugt.
    »Grund zwei ist: Ich glaube nicht, dass ein Privatdetektiv mit KGB-Vergangenheit und besten Kontakten zur russischen Mafia deiner Karriere besonders förderlich ist.«
    »Grund drei: Du liebst deine Freiheit mehr als mich«, konterte Judith. »Und jetzt sag ich dir meine Gründe, warum ich dich nicht heiraten werde … Nee, ich sag sie dir lieber nicht. Wenn ich dir alle Gründe nenne, sitzen wir bis morgen früh noch hier.«
    Giovanni, ein zuvorkommender Kellner um die 50, räumte das Geschirr ab.
    »Noch einen Wunsch?«
    »Ja, ein Tiramisu.« Judith hatte sich entschieden.
    »Die Rechnung bitte«, sagte Josif gleichzeitig.
    Giovanni schaute die beiden fragend an.
    »Ja, bringen Sie bitte die Rechnung«, sagte Judith.
    »Und ein Tiramisu«, ergänzte Josif.
    »Kein Tiramisu«, widersprach Judith.
    »Doch das Tiramisu. Und die Rechnung«, sagte Josif.
    Giovanni, der wie jeder gute italienische Kellner auch Diplomat hätte werden können, reagierte prompt:
    »Si, si, Signori. Kommt sofort. Die Rechnung für die Signora, ein Tiramisu für den Herrn und zwei Ramazzotti aufs Haus«, und verschwand.
    Die beiden schwiegen eine Weile und schauten aus dem Fenster. Auf der Straße fuhr ein Feuerwehrauto mit Blaulicht und Sirene vorbei.
    Der Kellner brachte den Nachtisch:
    »Prego. Der Rest kommt sofort.«
    Judith wünschte sich, dass Josif heute Nacht bei ihr bleiben würde.
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