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Glaube, Liebe, Mafia: Ein Fall für Josif Bondar

Glaube, Liebe, Mafia: Ein Fall für Josif Bondar

Titel: Glaube, Liebe, Mafia: Ein Fall für Josif Bondar
Autoren: Mark Zak
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bewegte. Neugierig schnürte er den Schuh auf und entdeckte darin einen Fuß, der – wie sich später herausstellen sollte – zu Gluschkewitsch gehörte. Der Chirurg rief sofort die Polizei an. Der Polier, der sich mit zwei anderen Weißrussen auf der Baustelle befand, benachrichtigte gleichzeitig Josif.
    Josif hatte damals einen nicht ganz legalen Nebenverdienst. Er vermittelte Schwarzarbeitern aus der ehemaligen UdSSR den Kontakt zu einem leitenden Angestellten beim Ausländeramt, der die benötigten Papiere (Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis) unter der Hand ausstellte. Josif betreute die Männer und half ihnen auch dabei, Arbeit zu finden, achtete darauf, dass sie anständig behandelt und korrekt entlohnt wurden.
    Judith, vor Kurzem zur Hauptkommissarin befördert, traf zeitgleich mit Josif auf der Baustelle ein. Da es zu diesem Zeitpunkt noch unklar war, ob es sich um einen Mord oder einen Unfall handelte, war Josif bemüht, keinerlei Informationen zur Polizei durchdringen zu lassen. Er stellte sich Judith vor: »Mein Name ist Bondar. Josif Bondar, Privatdetektiv«, und gab sich als Freund des Poliers aus. Dann bot er ihr seine Dienste als Dolmetscher bei der Befragung der geschockten und verängstigten weißrussischen Bauarbeiter an, natürlich unentgeltlich.
    Das Gespräch lief folgendermaßen ab:
    Judith: »Herr Bondar, fragen Sie bitte die Arbeiter, ob sie den Toten gekannt haben.«
    Josif (Russisch): »Sie fragt, ob ihr Anton gekannt habt.«
    Bauarbeiter (Russisch): »Klar, du weißt doch, wir kommen aus demselben Dorf.«
    Josif (zu Judith): »Sie kennen den Toten nicht, haben ihn noch nie gesehen.«
    Judith: »Waren sie dabei, als das Fundament gegossen wurde?«
    Josif (Russisch): »Merkt euch: Ihr habt Anton nicht gekannt. Und als das Fundament gegossen wurde, habt ihr noch gar nicht hier gearbeitet. Wiederholt, was ich gesagt habe.«
    Bauarbeiter (Russisch): »Als das Fundament gegossen wurde, haben wir hier nicht gearbeitet.«
    Josif (Deutsch zu Judith): »Als das Fundament gegossen wurde, haben sie hier nicht gearbeitet.«
    Judith: »Sagen Sie ihnen bitte, sie sollen die Stadt nicht verlassen. Ich werde sie in den nächsten Tagen noch mal ausführlich befragen müssen.«
    Josif (Russisch): »Fahrt am besten noch heute oder spätestens morgen zurück in die Heimat und bleibt dort, bis der Fall abgeschlossen ist.«
    Am Ende des Gesprächs bedankte sich Judith bei Josif und fragte:
    »Glauben Sie, dass die Arbeiter die Wahrheit sagen?«
    »In die russische Seele hineinzublicken, ist nicht einfach«, antwortete Josif, »aber mein sechster Sinn sagt mir, dass sie nicht lügen.«
    »Arbeiten Sie als Privatdetektiv immer mit Ihrem sechsten Sinn?«
    »Nein, manchmal auch mit meinem siebten.«
    »Herr Bondar, ich würde Ihnen gern ein paar Fragen stellen über das Leben und die Gewohnheiten der Weißrussen in Deutschland. Wann hätten Sie Zeit, zu mir ins Büro zu kommen?«
    Josif holte sein kleines Notizbuch hervor und blätterte es durch:
    »Tut mir leid, ich bin in den nächsten Wochen komplett ausgebucht …«
    Aus den Augenwinkeln beobachtete er Judith und freute sich über ihren leicht enttäuschten Gesichtsausdruck. Judith war ihm auf den ersten Blick mehr als sympathisch gewesen.
    »Höchstens mal abends nach 20 Uhr …«
    »Meinetwegen, wenn es nicht anders geht. Wann können Sie denn dann?«
    Josif blätterte erneut in seinem Notizbuch:
    »Hm, sieht schlecht aus … Es sei denn … Das könnte ich vielleicht verschieben … Wie wäre es denn bei Ihnen mit heute Abend?«
    »Das geht. Danke, Herr Bondar, dass Sie Zeit für mich finden.«
    »Keine Ursache, Frau Wendel. Der Fall muss ja schnellstens aufgeklärt werden. Darf ich Sie zum Essen einladen? Kennen Sie das Toscanini in Sülz?«
    Gleich bei ihrem ersten Rendezvous hatten die beiden das unerklärliche Gefühl, sich aus einem anderen, früheren Leben zu kennen und auf mysteriöse Weise miteinander verbunden zu sein. Sie erzählten sich viel und tranken ein Glas Rotwein nach dem anderen. Doch es war kein Absturz, sondern ein Aufstieg, der sie anschließend über die Treppen zu Judiths Wohnung direkt in ihr Schlafzimmer hinaufführte.
    »Was für eine Nacht! Wunderbare Stunden voll wilder Zärtlichkeit und betörender Leidenschaft!«, schrieb Judith in ihr Tagebuch, nachdem Josif die Wohnung am nächsten Morgen verlassen hatte.
    Doch einige Tage später strich sie die Zeilen durch, sie kamen ihr zu kitschig vor. Vielleicht hing ihre veränderte
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