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Glaenzende Geschaefte

Glaenzende Geschaefte

Titel: Glaenzende Geschaefte
Autoren: Katharina Muenk
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Trennwand und einem Stuhl davor, der noch warm war. Open Space auch hier. Und doch schaute der Sachbearbeiter mittleren Alters nicht einmal auf, als er mit ihr sprach, zog ihre Unterlagen wie durch den Schlitz einer unsichtbaren Glasscheibe hindurch zu sich herüber. Sie hatte sich perfekt vorbereitet: Pass, Steuernummer, Versicherungsnummer, Krankenversicherungsnachweis, Lohnsteuerkarte, Arbeitsbescheinigung, Kündigung, Lebenslauf, letzte Stationen, berufliche Fertigkeiten, bewertet auf einer Skala zwischen 1 und 5. Er war zufrieden, wollte nur noch wissen, was als Kündigungsgrund einzutragen sei. »Ich habe gekündigt.« Sie legte die Betonung auf »ich« und neigte den Oberkörper so lange seitwärts, bis sie glaubte, in die Blickrichtung des Herrn zu gelangen. »Brauchen Sie da auch einen Grund? Ich leide an Polyarthr…«
    Nein, den brauche man an dieser Stelle noch nicht, sagte er, während seine beiden Zeigefinger abwechselnd in die Tasten schlugen, was nicht schön aussah, wenn man zehn Finger hatte. Die Frage nach der Kündigung sei auf dem »Fragebogen zurBeendigung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitnehmer« zu beantworten. Und natürlich mit der Agentin zu besprechen.
    »Mit der was?«
    Na, mit der Jobagentin, die man ihr zur Seite zu stellen gedenke, um die Zukunft gemeinsam zu gestalten. Es klang wie demonstrativ vorgelesen.
    Was für ein Luxus, dachte Miranda. Bisher war sie immer allein gewesen mit ihrer Zukunft.
    Aber sie sei da ja reichlich spät dran, sagte der Herr.
    »Mit der Zukunft?«, fragte Miranda.
    »Nein, mit der Meldung«, sagte der Herr. Es sei die »Anhörung zum Eintritt einer Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung« auszufüllen, fuhr er fort. Und dann schob er die Dokumente über den Tisch wieder zu ihr herüber wie ein Skatspieler, blickte in die nähere Umgebung, nach rechts, nach links und dann ihr in die Augen: »Auch die Nase voll gehabt, was?«
    Und ihr war fast so, als sei auch er irgendwann aus der Nebenwelt gekommen. Er war gnädig mit ihr, ließ ihr keine Zeit zu antworten und händigte ihr das ID-Kärtchen aus, mit Kundennummer und Hotline, falls Fragen auftauchten.
    »Ich bin Kundin bei Ihnen?«, fragte Miranda
    Ja, das sei doch das Mindeste, was man jetzt für sie tun könne.
    Ungefähr zur selben Zeit versuchte Löhring immer noch, dem Asiaten zu erklären, wie er seinen Job zu machen habe. Er hätte das in Rechnung stellen können, fand Löhring. »Sie müssen da ganz anders ansetzen. Sie müssen mir auch gar nichts erklären. Die Leute denken immer, ich würde mir keine Gedanken machen. Aber ich bin ja nicht doof, sonst wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin. Ich meine, die meisten von uns, so am Arbeitsplatz, haben doch Angst davor, etwas leisten zu müssen, wozu sie nicht fähig sind. Bei Leuten wie mir ist es genau andersherum. Wir haben Angst vor der Leistung, zu der wir fähig sind. Sicher, dasist nicht schön, aber nur so bringen wir Dinge voran. Sollten Sie mal darüber nachdenken.«
    Lang guckte jetzt so, wie man einen nassen Hund betrachtet, kurz bevor dieser sich schüttelt, fand Löhring. Doch der Asiate schien hartnäckig zu bleiben und sagte: »Kognitive Dissonanz.«
    Das reichte. »Hören Sie, Sie werfen hier immer nur so knappe, komische Wörter in den Raum, so neutral irgendwie. Aber so einfach kriegen Sie mich nicht neutralisiert. Sie nicht!«
    Lang schien ruhig zu bleiben: »Wo sollen wir Ihrer Meinung nach ansetzen?«
    Löhring rückte näher an Lang heran. Es war mehr ein Sprung. »Also, noch einmal für Sie: Ich kann Ihnen nur sagen, dass mein Körper definitiv in Bestform ist, gut im Training. Und ich denke, das müsste auch für den Rest funktionieren. Dafür werden Sie doch bezahlt.«
    »Für den Rest?«
    »Nun, das, was man so in sich hat.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Na, so eine Art Kern. Für die Fachterminologie sind ja wohl Sie zuständig, oder?«
    Lang legte den Kopf schräg: »Die Seele?«
    Eigenartiger Begriff, dachte Löhring. Doch alles war besser als »innere« oder »äußere Teams«. Dann lieber Seele. »Nehmen Sie das jetzt bitte nicht persönlich, aber für so puffige Dinge wie die Seele fehlt einem wie mir ein wenig die Naivität. Doch ich bin kein Spielverderber. Wenn Sie es so ausdrücken wollen, meinetwegen.«
    Der Asiate kam schließlich aus einem anderen Kulturkreis, und man mochte es ihm nachsehen, als er fragte: »Verstehe ich Sie richtig? Sie wollen Ihre Seele trainieren?«
    »Ja, die Muskeln im
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