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Glaenzende Geschaefte

Glaenzende Geschaefte

Titel: Glaenzende Geschaefte
Autoren: Katharina Muenk
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mir macht? Nix macht das mit mir. Sie sollen was mit mir machen. Dann machen Sie mal.«
    Lang sagte: »Sie machen die Vorgaben.«
    Es war ein Missverständnis. Ein einziges gigantisches Missverständnis, fast schon zum Lachen. Also gut, dachte Löhring, man musste es dem angeblichen Fachmann wohl ein bisschen einfacher erklären: »Wollten Sie früher auch immer auf den Tiger?«
    »Wie bitte?«, fragte nun Lang.
    »Na, auf dem Rummel, auf diesen Kinderkarussells mit den Tieren. Giraffen, Elefanten und eben Tiger. Oder gab’s bei Ihnen nur Drachenboote? Wissen Sie, ich sitze vorne auf dem Tiger, und es fährt rund, immer rund, unaufhörlich.« Löhring ruderte raumgreifend mit den Armen. »Und ich kann einfach nicht mehr abspringen. Das ist ein hochkomplexes Gefährt, wissen Sie? Und alle stehen da unten am Rand und gucken, versuchen zu rufen, arbeiten sich an mir ab. Nur ich, ich sitze auf dem verdammten Viech und kann nicht absteigen.«
    »Warum nicht?«
    »Herrje, weil ich Löhring bin. Die Karussells, auf denen ich sitze, sind verdammt schnell, und wer den Tiger reitet, darf nicht einfach so abspringen. Ich sitze vorne, muss das Teil am Laufen halten.«
    »Aber ein Karussell ist doch rund?«
    »Erzählen Sie mir nicht, wo vorne und wo hinten ist!«
    Lang rückte ein wenig ab von Löhring und sagte: »Aber Sie haben sich doch ganz gut entwickelt da vorne auf dem Tiger, nicht wahr?«
    »Ich brauche keine Entwicklung. Ich bin bereits fertig. Fix und fertig.« Es begann zu sprudeln in Löhring, ja, er war nun endlich in seinem Element: »Wissen Sie, ab einer gewissen Positionmuss man sich als Marke verstehen. Die Leute wollen Typen, Leader, einen hohen Wiedererkennungswert, den Vintage-Löhring eben. Keinen glatten Mainstream, kein Team. Forget it. Man muss eben damit leben, nicht von allen geliebt zu werden, es sozusagen als Zugeständnis an systemische Notwendigkeiten begreifen.«
    »Sehr schön.« Lang lächelte, als er es sagte.
    Sehr schön? Jetzt sagte der einfach so »Sehr schön«! Also gut, dachte Löhring, Lang schien harte Kost zu brauchen. Konnte er haben. »Nun, vor nicht allzu langer Zeit habe ich versucht, eine psychiatrische Klinik an die Börse zu bringen.«
    »Schön.«
    »Ja, durchaus erfolgreich zunächst.«
    »Wo lag das Problem?«
    »Ich war einer der Insassen.«
    »Oh.«
    Miranda hatte in der Eingangshalle an zwei dunkelblau gekleideten Herren des »Wachpersonals« vorbeigemusst, die wissen wollten, ob sie spitze Gegenstände dabeihabe. Nein, hatte sie geantwortet, sie sei ziemlich abgestumpft. Und jetzt hatte sie die Türklinke in der Hand. Eigentlich fehlte nur noch ein Schild an der Tür, auf dem stand: »Ihr, die Ihr hier eintretet, lasset alle Hoffnung fahren.« Oder etwas Ähnliches. Wollte sie da wirklich rein, in diese andere Welt?
    Es half nichts. Sie drückte die Klinke herunter und trat in den klimatisierten Wartebereich »Anmeldung und Formularwesen« der Arbeitsagentur, setzte sich auf den einzigen freien Platz und installierte sich so unauffällig es ging. Ihre Finger schmerzten, als sie den Mantel über ihrem Hosenanzug aufknöpfte und den nassen bordeauxroten Regenschirm neben sich aufspannte, ihre Dokumententasche auf den Knien. Bis dato hatte sie immer alles getan, was möglich und erwünscht war. Jetzt musste sie warten, dass man etwas für sie tat. Sie war innerhalb von zwei Wochen aus der Firma weggewesen, husch, denn die kurze gesetzlicheKündigungsfrist war nur einer der Vertragsinhalte, die man in all den Jahren nie geändert hatte. So schnell konnte es gehen …
    Auf dem kleinen schwarzen Tisch in der Mitte der Sitzgruppe lag »Zukunft gemeinsam gestalten«, und sie blickte in die Gesichter derer, die mit ihr warteten. Man konnte dies ausführlich und länger tun, denn sie merkten es nicht, starrten vor sich hin ins Leere und schienen weder mit sich selbst noch mit irgendjemand anderem beschäftigt. Auf Beschäftigungssuche eben. Es war nichts Überraschendes an ihnen, ein bemerkenswerter Menschenquerschnitt, mehr oder weniger routiniert im Dasitzen, wie an einem ganz normalen Tag im Linienbus. Alles deutete darauf hin, dass sie es war, die aus einer Art Nebenwelt kam. Ein Kind in der Kinderecke steckte sich einen Legostein in jedes Nasenloch und noch zwei hinterher.
    Sie wurde aufgerufen. Mit Namen. Die Zeit der Nummern war vorbei, und die Wege waren kürzer geworden. Die Bildschirmarbeitsplätze der Sachbearbeiter befanden sich im selben Raum, mit jeweils einer
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