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Glaenzende Geschaefte

Glaenzende Geschaefte

Titel: Glaenzende Geschaefte
Autoren: Katharina Muenk
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am Finger vor die Augen. Was sie denn nun genau wolle? Er verstehe das alles nicht.
    Miranda versuchte zu erklären, holte etwas aus, bedauerte, dass das Käferprojekt der Dangast-Gartencenter-Gruppe gescheitert sei und das Unternehmen nun endgültig vor der Insolvenz stehe. Die Sache mit dem Ring sei das Letzte, was sie für Löhring tun wolle.
    Frau Kesch hatte die ganze Zeit über schweigend zugehört und schüttelte nun langsam den Kopf. Nein, sagte sie, an den Käfern habe es nicht gelegen. So richtig habe sie die Geschichte mit SKARABÄUS nie verstanden. Keinen Fonds dieser Welt hätte man damit auflegen können. Hier habe es sich wohl eher um eine Art Gestaltungstherapie für Keith Winter gehandelt. Man verwalte ja nach wie vor das Vermögen von Winter und von Löhring, sozusagen vormundschaftlich seit deren Behandlung in St. Ägidius. Aber gelegentliche Krankheitsschübe, gewisse Fehlinterpretationen des normalen Lebens eben, seien wohl bei beiden immernoch vorhanden. Der Schizophrene besitze häufig eine argumentativ nicht angreifbare Überzeugung, in Geschehnisse verwickelt zu sein, die für andere nicht nachvollziehbar seien.
    Miranda musste sich setzen und bat um ein Glas Wasser.
    Es sei ihr gleich so komisch vorgekommen, fuhr Ilse Kesch dann fort, dass Löhring ihren Mann in letzter Zeit immer mit »Kellermann« angeredet und etwas von einer Entführung fantasiert habe. Sie wisse lediglich mit Sicherheit, dass Löhring zuletzt eine Coaching-Maßnahme begonnen, dann aber abgebrochen habe. Da habe Edgar gedacht, dass ein Aufsichtsratsmandat für die Dangast-Gartencenter-Gruppe doch genau das Richtige für ihn sei, damit er wieder auf andere Gedanken komme, ein sozial integriertes Leben führen könne. Er habe ihn daraufhin auch gleich ins Spiel gebracht. Fachlich sei Löhring ja immer noch gut. Umso bedauernswerter sei es, dass man das Unternehmen dennoch nicht habe retten können.
    Edgar Kesch nickte, legte seine Hand auf das Knie seiner Partnerin und sagte: Ja, das sei alles sehr traurig, ganz abgesehen von der Pacht, die Löhring ihm für die Jacht in Südfrankfreich immer noch schulde. Da werde man noch einmal die Anwälte bemühen müssen, wenn es Löhring etwas besser gehe.
    Sie lag auf dem Rücken im Gras und blickte in den Himmel, genauer gesagt: in die Wolken. Eine grenzenlose Sicht und das demokratischste Naturschauspiel, das man sich vorstellen konnte, fand Miranda. Es war für jedermann überall und immer zu haben, man musste nur ab und zu den Kopf in den Nacken legen. Sie formte mit ihren Fingern ein Fernglas vor den Augen und betrachtete ein imposantes Exemplar einer Cumulus mediocris – einer Kumuluswolke, die sich so hoch wie breit über ihr aufbauschte. Man mochte kaum glauben, dass ein solches Ungetüm nur aus Wasser bestand. Aber was mochte man schon glauben? Zehn Milliarden Tröpfchen pro Kubikmeter, die das Licht in alle Richtungen streuten und der Wolke ihr milchiges Aussehen gaben, waren nicht so leicht überprüfbar. Man konntealles glauben, und man konnte nichts von alledem glauben. Bei guter Thermik würde die Wolke zehn Minuten lang ihre Größe behalten, sie war wankelmütig und flüchtig, verdankte ihr Aussehen nur den Aufwinden, die von einer Quelle am Boden gespeist wurden.
    Miranda verschränkte ihre Handflächen hinter dem Kopf und blickte etwas tiefer, dorthin, wo man am Horizont die Bankentürme der Innenstadt sehen konnte. Sie musste an Winter denken. Er würde bei Tiefdruck von seinem neuen Schreibtisch aus über die Wolken gucken können. Einer der Türme hatte vierzig Stockwerke. Auf dieser Höhe wäre es unmöglich, vor dem Fenster eine Vogelfutterstelle einzurichten, dachte Miranda. Es klang dennoch verlockend.
    Sie blinzelte in die Sonne. Sie liebte Wolken, war einmal um die halbe Welt geflogen, nur um die lang gezogene Röhrenform der Stratokumuluswolke zu sehen: die Morning Glory, die sich in den Frühlingsmonaten in Nordwest-Australien bildete. Es gab Leute, die sie mit einem profanen Kondensstreifen verwechselten – genau wie der, der gerade direkt über ihr hinwegzog.
    »Please switch off all electronic devices.« Löhring machte es sich bequem im Flieger nach Hongkong und fand erst jetzt Zeit zu telefonieren.
    »Würden Sie bitte Ihr Gerät ausschalten und die Rückenlehne senkrecht stellen?« Die Stewardess war aufgetaucht wie eine Politesse an der Parkuhr und legte den Kopf schräg.
    Was bildete die sich ein, dachte Löhring, die gute Frau flog ständig
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