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Eine Krone für Alexander (German Edition)

Eine Krone für Alexander (German Edition)

Titel: Eine Krone für Alexander (German Edition)
Autoren: Elfriede Fuchs
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Prolog
    Er stand vor dem Scheiterhaufen und sah hinüber zu den
Bergen im Westen, hinter denen eben die Sonne versunken war. Noch schickte sie
ihren Glanz über den Himmel, gleißend und strahlend, während von Osten bereits
Dunkelheit heranzog. Es wurde Zeit. Er wandte seinen Blick von den Bergen ab
und ließ ihn über die Heerscharen von Männern wandern, die um den Scheiterhaufen
herum Aufstellung genommen hatten. Sie füllten die Ebene vor der Stadt, so weit
er sehen konnte. In voller Bewaffnung, in Reih und Glied standen sie reglos
hinter ihren Feldzeichen und Standarten. Trotz der gewaltigen Ansammlung von
Menschen herrschte fast vollkommene Stille, nur hin und wieder schnaubte ein
Pferd, klirrte ein Teil eines Brustpanzers oder Schwertgehänges leise in der
abendlichen Brise, die durch die Flussebene wehte und sich an den Abhängen der
Berge brach.
    Er sah hinauf zu der verhüllten Gestalt, die einsam auf der
obersten Stufe des Scheiterhaufens ruhte. Auf der untersten Plattform lagen die
drei anderen Toten, blutbesudelt und mit verrenkten Gliedern achtlos
hingeworfen. Vor dem Katafalk, außer Reichweite des Feuers, waren auf einem
Podest die Waffen ausgestellt, die den Verstorbenen ins Grab begleiten würden:
der eiserne Brustpanzer, glänzend wie poliertes Silber; vergoldete Beinschienen
aus Bronze; ein eiserner Helm mit verzierten Wangenklappen und hohem
Rosshaarbusch; Schwerter, Dolche, Speere. Sein Blick blieb an dem großen
Rundschild hängen. Konzentrische Mäanderbänder aus Gold, Silber und Elfenbein
umgaben den vergoldeten Buckel. Ihn schmückte ein nackter Krieger, der eine
sterbende Amazone in den Armen hielt.
    Die letzten Strahlen der Sonne verschwanden hinter den Bergen
im Westen, wo das Totenreich lag, in das sich bald die Seele des Verstorbenen
begeben würde. Alle Zeremonien waren abgeschlossen, alle Riten vollendet. Es
war so weit. Er hob seine rechte Hand und betrachtete den Ring an seinem
Finger. Auf dem Gold der Fassung tanzte das Licht der untergehenden Sonne, doch
der Stein selbst schien aus eigener Kraft zu glühen. Tiefrot. So rot wie Blut.
Lange musterte er den Ring, dann riss er seinen Blick los und gab dem weiß
gekleideten Seher ein Zeichen, ihm die Fackel zu reichen. Er entzündete sie an
dem Feuer, das vor ihm in einem Bronzebecken loderte.
    Die Zeremonien waren abgeschlossen, die Riten vollendet. Er
trat an den Scheiterhaufen. Einen Augenblick lang stand er reglos davor und
blickte hinauf zu der Gestalt auf der Spitze. Dann, mit einer raschen,
fließenden Bewegung, rammte er die Fackel tief in das trockene Holz. Das Feuer
loderte hoch, breitete sich aus, sprang weiter nach oben. Es tanzte über Balken
und Scheite und leckte hinauf in die sich herabsenkende Dunkelheit. Ein
Knistern und Tosen erfüllte die Luft, leise erst, dann immer lauter.
    Er trat ein Stück zurück, fort von der sich entwickelnden Hitze.
Die Soldaten hatten begonnen, mit Schwertern und Speeren gegen ihre Schilde zu
schlagen. Das rhythmische Dröhnen schwoll an, bis es das Tosen der Flammen
übertönte. Er legte den Kopf in den Nacken und sah zu, wie sie die Spitze des
Scheiterhaufens erreichten und den Toten umhüllten wie ein loderndes
Leichentuch.

Der Zauber der Olympias
1
    Der Junge kauerte auf dem Boden und blickte auf zu der Frau
mit den goldenen Haaren und den hellen, strahlenden Augen. Die geschnitzten
Läden zum Innenhof waren weit geöffnet und ließen Sonne und morgendlich kühle
Luft herein. Das Licht fiel auf das halbfertige Gewebe auf dem Webstuhl und
brachte die Farben zum Leuchten. Fasziniert sah der Junge der Frau bei der
Arbeit zu, beobachtete, wie sie an dem Gestell mit den senkrecht gespannten
Fäden auf und ab ging, die Querfäden einzog und sie mit einem Kamm festdrückte.
Faden um Faden entstand ein farbenprächtiges Gewebe mit kunstvollem Muster. Das
Gesicht der Frau verriet Konzentration, und doch fand sie Zeit, leise ein Lied
zu summen und ihm hin und wieder einen Blick zuzuwerfen. Schließlich blieb sie
stehen, beugte sich zu ihm herunter und strich ihm lächelnd durch das Haar.
    „Mein kleiner Achilleus!“, flüsterte sie. Sie nahm einen Stuhl
und setzte sich. „Weißt du, wer Achilleus war?“
    Der Junge kauerte sich zu ihren Füßen und sah zu ihr auf.
„Natürlich! Ein großer Held!“
    „Nur ein Held?“ Die Frau lachte amüsiert.
    „Der größte, den es je gegeben hat!“, beteuerte er.
    Sie hob ihn auf ihren Schoß und strich ihm die hellen Haare
aus der Stirn. Ein
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