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Glaenzende Geschaefte

Glaenzende Geschaefte

Titel: Glaenzende Geschaefte
Autoren: Katharina Muenk
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eine Weile und sagte dann: »Ich weiß nicht, auf welche Frage Sie antworten.«
    Als er das sagte, schien die Sonne nur ihm ins Gesicht. Er mochte jünger aussehen, als er tatsächlich war, hatte diese weicheAlterslosigkeit, die sich über alles zu erheben schien und sich durchaus als Waffe einsetzen ließ, wenn man die vierzig einmal überschritten hatte. Löhring dagegen war rein genetisch nicht so ausgestattet, war zwar von schlanker, stattlicher Statur, hatte einen hohen, aber noch vollen Haaransatz und ein symmetrisch geschnittenes Gesicht mit einer wenig markanten, doch wohlproportionierten Nase darin sowie einem durchaus schönen, vollen Mund. Auch er konnte sein Alter mit spitzbübischem Charme und geschmeidigen, schwungvollen Bewegungen wettmachen, wenn er wollte, achtete zudem auf eine gesunde, konstante Bräunung. Doch es war nicht dasselbe.
    Lang wandte sich ihm wieder zu: »Nun, Herr Dr. Löhring, wie auch immer, ich denke, das war jedenfalls gerade eine gute Dezentrierung.«
    Löhring glaubte, nicht recht zu hören: »Wie bitte?«
    Lang nickte verständnisvoll, was Löhring als Affront empfand. Verständnis war das Letzte, was er brauchte. Doch Lang hielt sich nicht länger mit Erklärungen auf: »Wir sollten erst einmal Ihr Anliegen genau klären. Ihre Partner in London haben mich schon ein wenig gebrieft.«
    Löhring war immer noch beim Dezentrieren und unterbrach: »Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich dezentrieren lassen möchte, mit Verlaub. Ich bin hier ja schon am Ende der Welt, verdammt. Dezentraler geht’s wohl kaum.«
    Der Asiate schien sich nicht aus dem Konzept bringen zu lassen und fuhr fort, ohne mit der Wimper zu zucken: »Sie sollten auf sich und auf die Dinge mit ein wenig mehr Abstand blicken. Deshalb werden wir erst einmal zwei Tage miteinander verbringen, heute und morgen, und den Sonntag können Sie dann frei gestalten. Da können Sie reflektieren und gleich ein paar optionierte Wahrnehmungs- und Verhaltensweisen ausprobieren.«
    Löhring verzog keine Miene: »Optionierte Verhaltensweisen? Diese Phase habe ich längst hinter mir, das können Sie mir glauben. Und damit hier eines klar ist: Ich habe Sie nicht beauftragt. Ich schlage daher vor, dass wir erst einmal klären, inwieweitüberhaupt irgendein Synergieeffekt zwischen meinem Niveau und Ihrer Arbeit herstellbar ist.« Nein, so einfach würde er es dem Typen nicht machen. Er, Löhring, wusste doch längst Bescheid, und es reichte, wenn andere unter verzerrten Wahrnehmungen litten. Schwächen bei der Teamarbeit, beim Konfliktmanagement und beim Fremdbild-Selbstbild-Abgleich, er solle mal mit sich ins Reine kommen, Entwicklung zulassen, hatte man ihm gesagt. Und dann würde womöglich noch ein Bericht an seine Partner gehen. Wie kleinkariert war das denn? Nix mit Optimierung, wohl eher eine perfide Denunzierung, dachte Löhring.
    Lang beugte sich zu Löhring vor und sah ihm aus gefühlten fünf Zentimetern in die Augen: »Kennen Sie das innere Team?«
    »Wenn Sie meinen, dass ich Stimmen höre, muss ich Sie enttäuschen. Dann hätte man mich gleich anderswo eingeliefert. Und nicht nur übers Wochenende.« Löhring spürte wieder, wie es rot und eng wurde unter seinem Hemdkragen und die Haut spannte. Er kannte das. Es war stärker als er, und der Kraftakt, es zu überspielen, war enorm. Bisher hatte das niemand in den Griff bekommen, schon gar kein Asiate. Es musste anders gehen. »Hören Sie, das haben vor Ihnen schon ganz andere versucht. Ich bin kein Team. Ich hasse Teams. Vergessen Sie’s. Ich will hier keine Therapie machen. Ich weise alle Unterstellungen zurück. Dürfen Sie das überhaupt? Haben Sie überhaupt eine Zulassung dafür? Da kann ja jeder kommen. Und morgen steht das wieder in den Zeitungen. Fuck.«
    Lang schien nun doch ein wenig verunsichert zu sein, und sein Lächeln verkürzte sich um wenige Millimeter, als er sagte: »Dieser anale Sprachgebrauch kommt tief aus Ihrem Wurzelchakra. Haben Sie Magen-/Darm- und/oder Verdauungsprobleme?«
    Löhring schwieg. Sollte sein Gesprächspartner doch sehen, wie er aus diesem Schlamassel wieder herauskam, denn die Frage war eine einzige Unverschämtheit, fand er.
    Lang ließ das Thema tatsächlich auf sich beruhen: »Nun, wie Sie wollen. Sie machen die Vorgaben. Und ich frage Sie: Weswegensitzen wir dann hier? Was ist Ihr Ziel? Was macht das mit Ihnen, wenn Sie dran denken?«
    Löhring blickte seinerseits dem Asiaten in die schmalen Augen, soweit das ging: »Was das mit
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