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Glaenzende Geschaefte

Glaenzende Geschaefte

Titel: Glaenzende Geschaefte
Autoren: Katharina Muenk
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Kopf sozusagen. Und es wäre schön, wenn Sie auf meine Fragen auch einmal mit einer Antwort reagieren würden und nicht ständig mit Gegenfragen.« Mein Gott, das konnte doch nicht so schwierig sein, dachte Löhring, aber manche Leute mussten eben an die Hand genommen werden, wennsie die Vorgaben nicht sofort verstanden. Da musste man ruhig bleiben, sich das aber gleichwohl merken. Es piepte in Löhrings Jacketttasche. Er nahm sein Smartphone und betrachtete das Display. Es war seine Trink-App. »Entschuldigen Sie. Ich denke, ich sollte etwas Kaffee trinken. Oder zur Not Wasser.« Er nahm die Glasflasche vom Tisch und schenkte sich ein.
    Der Asiate schien ihn genau zu beobachten: »Sie trinken, wenn es bei Ihnen piept? Glauben Sie nicht, dass das eine Missachtung des körpergesteuerten Trinkverlangens ist, sozusagen die Entfremdung vom eigenen Körper?«
    »Nun werden Sie mir hier mal nicht kompliziert. Wir waren bei meiner Seele.« Löhring trank das Wasserglas in einem Zug leer und stellte es stumm wieder ab.
    Lang schwieg.
    »Hallo? Können Sie mir folgen?« Löhring hatte sich nach vorn gebeugt, die Ellbogen auf den Oberschenkeln. »Sie müssen da schon ein wenig mitdenken, sich meinem Tempo anpassen.«
    »Sind Sie sicher, dass Sie überhaupt eine Seele zum Trainieren haben?«
    Schon wieder eine Frage. Löhring atmete schwerer, und Lang lenkte ein: »Entschuldigung, war nicht so gemeint. Ich würde vorschlagen, Sie sagen mir noch einmal, welche Muskelpartien wir da genau trainieren sollen. So eine Seele ist ja recht unübersichtlich. Vielleicht haben Sie sogar zwei davon, sodass wir verschiedene Trainingspläne ausarbeiten müssen.«
    Na also, geht doch, dachte Löhring. Er stand auf und ging wieder durch den Raum, verschränkte die Hände hinter dem Rücken, als er die Fensterfront abschritt. »Manchmal befürchte ich, dass einige meiner Synapsen etwas, nun ja, schlapp geworden sind mit der Zeit. Sicher kennen Sie das.« Er blickte zum Asiaten hinüber. Der saß lächelnd, sehnig und hellwach auf seinem Stuhl. Keine Spur von Schlappheit. Nein, er schien das nicht zu kennen.
    »Können Sie mir ein Beispiel nennen?«, fragte Lang.
    Löhring fuhr fort: »Sie hören plötzlich Wörter und fragen sich, wann Sie die eigentlich zuletzt ausgesprochen haben. Diehaben Sie zwar einsatzbereit im Kopf, benutzen sie aber nicht. Wie vernachlässigte Muskelpartien.«
    »Ein Beispiel?«
    Der Asiate fing an zu nerven. Man schien ihm alles erklären zu müssen. »Herrje, Sie mit Ihren Beispielen. Wie soll ich sagen? Ich krieg einfach meinen Mund immer schlechter auf, so im kleinen Kreis. Ich maile lieber.«
    »Ein Beispiel?«
    Scheiße, dachte Löhring und sagte: »›Danke‹, manchmal auch nur ›Guten Morgen, wie geht es dir?‹ Klappt einfach nicht. Und überhaupt die Fragen. Ich weiß gar nicht mehr, wie man Fragen stellt.«
    Lang schien jetzt in seinem Element zu sein: »Wunderbar. Sie sind bereits in der Selbstreflexion, kurz vor der Meta-Ebene. Wir nähern uns der Seele, wenn ich das einmal so sagen darf.«
    »Ach.«
    »O ja, durchaus. Und hier können wir gleich mit den ersten Muskelpartien beginnen.« Er richtete sich auf. »Das Wort ›Danke‹ ist doch nicht so schwer auszusprechen als Wort.«
    Der hat gut reden, dachte Löhring, kam aus dem Land der aufgehenden Sonne. Man konnte sich das Leben auch zu einfach machen: »Arbeiten Sie erst einmal da, wo ich arbeite. Kontext, ich sage ja, es ist alles kontextgesteuert. Da vergeht einem schnell das Danke.«
    Lang spitzte den Mund und hob das Kinn in Löhrings Richtung. »Nun, vielleicht hilft es, wenn Sie jedem Buchstaben ein Artikulationsgebiet in Ihrem Mund zuordnen. Schauen Sie, das D findet an der Rückseite Ihrer Schneidezähne statt, im Übergangsbereich zum Oberkieferdamm. Da haftet sich die Zungenspitze ganz leicht und etwas länger als gewöhnlich an und löst sich dann mit einem Plopp. Da haben Sie dann schon das D. Das sind immerhin zwanzig Prozent des ganzen Wortes. Und es lässt sich trainieren!« Lang machte den Mund wieder zu.
    Der ist ja lustig, dachte Löhring. Doch das war noch nicht alles.
    »Die große Kunst dabei ist das Embodiment.«
    »Wie bitte?«
    »Es ist die Verkörperung«, fuhr Lang fort, »die Verkörperung der Worte. Denn auch mit den Augen wird gesprochen, das müssen Sie mittrainieren. Sie müssen Ihrem Wort durch die synchrone Augenbewegung Nachdruck verleihen. Wissen Sie, die Bedeutung eines Wortes ist nichts Abstraktes, sondern ein
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