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Glaenzende Geschaefte

Glaenzende Geschaefte

Titel: Glaenzende Geschaefte
Autoren: Katharina Muenk
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Körperzustand. So«, und jetzt blickte er Löhring direkt an, dass diesem ganz anders wurde.
    Ein durchaus interessanter Ansatz, fand Löhring. Psycholinguistik. Der Typ schien seine gute Reputation in der Community zu Recht zu haben, auch wenn man deswegen nicht gleich von einem Durchbruch sprechen mochte.
    Lang ging noch weiter: »Eine noch mutigere Übung mit noch größerem Trainingseffekt basiert auf der These, dass Sie auch eine andere Umgebung brauchen, sozusagen einen anderen Trainingsraum. Wir sollten Sie in einen gänzlich neuen Kontext setzen. Das wirkt antidepressiv, denn es liefert Ihnen neue, kreative Assoziationsketten. Change Management nennt man das bei Ihnen, nicht wahr?«
    Löhring mochte es nicht, wenn Leute glaubten, Sie müssten seine Sprache sprechen, obwohl sie keinen blassen Schimmer von den Dingen hatten. »Schwachsinn. Wenn Sie so wie ich in der Welt vorankommen möchten, dann suchen Sie sich Ihren Kontext selbst, und wenn Sie den nicht finden, dann schaffen Sie sich die verdammten Verhältnisse oder krempeln sie so lange um, bis sie passen und es Ihnen gefällt. Das ist nicht Pippi Langstrumpf, mein Lieber. Das, genau das ist Change Management!«
    Lang schien das alles nicht gehört zu haben und verkörperte seine Worte abermals, während er sagte: »Wir sollten Sie noch mehr in die Meta-Ebene bringen, den Abstand zu den Dingen vergrößern.«
    »Ich bin schon ziemlich meta da oben.«
    »Und? Werden die Probleme kleiner?«
    »Nein. Ich würde sagen, größer. Gute Leute brauchen große Herausforderungen.«
    »Sie müssen aber kleiner werden, die Probleme. Sonst haben Sie meta-technisch etwas falsch gemacht. Sie müssen nur die Perspektive wechseln! Sehen Sie«, und jetzt zeigte Lang auf das Panoramafenster, »dieser Berg da, der sieht von hier aus doch gar nicht so groß aus. Genauso ist es, wenn man sich ein wenig entfernt von den Dingen. Dann werden die Probleme kleiner, und man sieht plötzlich auch mehr davon.«
    »Mehr? Und Sie wollen mir erzählen, dass das gut ist?«
    Lang lächelte nachsichtig: »Mehr fremde Probleme, Herr Dr. Löhring, andere Probleme, nicht die eigenen Probleme.«
    »Also, mir reichen meine.«
    »Aber dafür sind die ihrigen dann, wie gesagt, kleiner im Vergleich zu den anderen, so mit Abstand betrachtet. Und mit etwas Glück sehen Sie plötzlich, wo Ihre Probleme überhaupt herkommen und wohin sie gehen.«
    Es reichte. »Hören Sie, ich glaube nicht, dass Sie die Größe oder die Fortbewegungsrichtung meiner Probleme erfassen, geschweige denn beeinflussen können. Das ist ja lächerlich.«
    Lang lehnte sich zurück. »Waren Sie schon mal im Knast?«
    Und dann begann er zu erzählen, und Löhring empfand alles, was jetzt folgte, endgültig als Unverschämtheit.

WINTER BERRY GROUP
    Die Erdbeerfarm befinde sich im Grünen vor den Toren der Stadt, hatte die Arbeitsagentur gesagt, man sei in zwanzig Minuten vor Ort, schneller also als einmal quer durch die City. Das Stellenangebot sei kurzfristig eingegangen, nicht unspannend, ein seltenes Teilzeitmodell, somit finanziell eine gute Überbrückung und eben einmal »etwas ganz anderes«. Sie könne es sich ja mal anschauen. Und Miranda hatte sofort angerufen und einen Termin gemacht. Ob sie in der Gärtnerei selbst Hand anlegen müsse, hatte sie noch gefragt, denn sie sei ja mehr der administrative Typ. Nein, hatte man ihr versichert, der Inhaber denke da in ganz anderen Dimensionen.
    Also »Winter Berry Group«. Es gab Orte, die Miranda gerade deswegen gefielen, weil sie so völlig anders waren, als sie sie sich vorgestellt hatte. Dieser war anders und gefiel ihr trotzdem nicht. Sie wusste zugegebenermaßen auch nicht, was sie erwartet hatte, vielleicht etwas Bodenständiges, Solides, Gummistiefel statt englischem Leder, nichts Cooles, nichts Hektisches. Aber als sie um 15.10 Uhr in die Hofeinfahrt eingebogen war, sah sie, dass die Parkplätze gekachelt und kameraüberwacht waren und das Verwaltungsgebäude vollverglast in der Sonne blendete.
    Sie saß im Foyer, wartete auf ihr Gespräch und starrte auf das einzige Bild, das dort hing: eine riesige Makro-Aufnahme, das Motiv purpurrot, glänzend und doch pelzig, mit kleinen Härchen über regelmäßigen, wulstigen Ausbuchtungen, die jeweils einen kleinen gelben Kern freigaben. Man konnte es praktisch mit den Augen erfühlen, es sah eher nach einer immens vergrößertenDarstellung eines Geschwürs oder eines Bakteriums aus, jedenfalls nicht so, als könne man es
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