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Ende einer Welt

Titel: Ende einer Welt
Autoren: Claude Anet
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Flache Täler durchschneidend, zogen Ketten
ungleichförmiger Hügelrücken bis zum
Horizont. Aus diesem wirren Auf und Nieder hob sich eine Rinne im
Erdboden ab, die mannigfaltige Windungen beschreibend –
breitausladende Bogen mit engen Halbkreisen abwechselnd, die oft von
felsigem Gestein eingefaßt waren – den Lauf eines
Flusses anzeigte, der trotz aller Launen seines Weges doch recht stetig
von Nord nach Süd hinabströmte. Viele Täler,
aus denen kleine Bäche flossen, mündeten auf dem
einen und dem anderen Ufer. Sanfte Hänge, die sich hie und da
bildeten, wechselten auch wieder mit steil ansteigenden, hohen
Wänden, in deren felsigen Grund das eisige Wasser in
jahrtausendelanger Arbeit oft tiefe Schichten des Bodens zu
geräumigen Kavernen aushöhlend, seinen Weg gegraben
und geglättet hatte.
    Sträucher und Buschwerk hatten sich zwischen den
Steinen festgeklammert. Ein Wald, in dem Fichten und Birken
vorherrschten, bedeckte fast das ganze Land, nur in den Niederungen
breiteten sich Sümpfe und einige Wiesen in den höher
gelegenen Tälern. Dieser Wald zeigte fast ebensoviel
gestürzte Stämme wie aufrecht stehende
Bäume. Wurzeln und Holz gefallener Riesen faulten im Morast.
Andere versanken nach und nach im sandigen Boden, Eichen, deren Gipfel
noch grüne Triebe zeigten, waren halb zusammengebrochen,
sterbende Tannen- und Ahornbäume lehnten an ihren noch
kräftigen Brüdern. Vom Blitz getroffen, vom Orkan
entwurzelt oder nur vom Alter überwunden, blieben sie liegen,
wohin sie fielen. Moose und Flechten, grau von Feuchtigkeit, bedeckten
den Boden. Einige wenige Büschel Gräser ragten
vereinzelt aus ihnen hervor. Quellen entsprangen an verschiedenen
Stellen. Schneeflecke hafteten an den Hängen, die gegen Norden
abfielen.
    Die Sonne versank in einen bleichen Himmel. Es war kalt, und
mit einbrechender Nacht würde es frieren. Doch fühlte
man durch eine gewisse Milde der Luft, daß der Winter seinem
Ende entgegengehe, und daß bald die zarten Enden der Zweige zu
Knospen anschwellen würden.
    Kein menschliches Wesen war auf der Oberfläche dieses
Landes zu erblicken. Es gehörte dem Wind, der von Westen
strich, und den Tieren, die sich für Augenblicke hier zeigten.
Eine Bisamratte machte einen Satz über den Boden und
verschwand. Ein Silberfuchs strich geschmeidig am Waldrand entlang,
ohne Hast, als würde nichts ihn bedrohen und nichts ihn
erregen. Ein Fischadler zog große Kreise über dem
Fluß. Vom Gipfel einer Lärche ließ eine Eule
ihre klagende Stimme ertönen und verstummte sogleich wieder,
beschämt darüber, sich bemerkbar gemacht zu haben,
solange noch Tag war. Wie weit der Blick auch schweifte, kein Feld,
keine Straße, kein Turm war zu bemerken. Selbst Ruinen waren
auf diesem Boden nicht zu finden. Unverändert, wie es aus den
gleichgültigen Händen der Natur hervorgegangen war,
ehe der Mensch ihm seinen Stempel aufdrückte, erschien dieses
Land.
    Und doch entdeckte man, als die schrägen Strahlen der
untergehenden Sonne nur noch die Rücken der
Hügelketten streiften, einen bläulichen Rauch, der
sich mit den Dünsten, die aus dem Tale aufstiegen, mischte. Er
stieg vom Fluß den Hang entlang, wurde von den
Sträuchern zerteilt und verwandelte sich, am Gipfel der
Böschung angelangt, in zarte Wölkchen, mit denen der
Wind spielte.
    In einiger Entfernung erhob sich eine andere, ganz zarte
Rauchwolke wie eine schlanke Säule in die Luft, schwankend,
bis auch hier der über das Tal streichende Wind sie
entführte.
    Der Mensch war da, gegenwärtig und verborgen in
diesem weiten Lande.
    Am Rande einer Schlucht hob sich im Dämmerlicht eine
menschliche Gestalt vom Stamme einer Lärche ab. Es schien
fast, als wäre sie selbst ein Teil des Stammes gewesen, der
sich nun plötzlich in zwei Stücke spaltete. Mit
vorsichtig gedämpftem Schritt ging sie dem Wind entgegen und
bückte sich, um die zarten Spuren einer Tierfährte zu
prüfen. Diese Spuren führten zu einem engen Loch,
neben dem sich der Jäger zur Erde gleiten ließ. Er
war ein junger, fast bartloser Mann, in Renntierfell gekleidet, mit
kurzem Wams und Hosen, die bis zur Mitte der Waden reichten. Sandalen
aus geflochtenem Leder schützten seine Füße.
Die Tierhaut, das Fell nach innen gewendet, war schmiegsam, gut
bearbeitet und besaß die stumpfen Tönungen, vom Grau
ins Bräunliche und vom Bräunlichen ins Rosa spielend,
der Flechten, auf denen No, Sohn des
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