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Ende einer Welt

Titel: Ende einer Welt
Autoren: Claude Anet
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windgeschützten Weide, fern von jedem
Gebüsch, in dem der Mensch sich hätte verbergen
können, eine Familie von Mammuts, die friedlich graste.
Mächtig ragten ihre langen, unnützen
Stoßzähne gegen den Himmel. Kein Mammut konnte sich
erinnern, sie jemals gebraucht zu haben, denn keines der anderen Tiere,
selbst nicht der Löwe, wagte es, sie anzugreifen. Mit ihrem
weichen Rüssel rissen sie das Gras aus und stopften es in ihr
klaffendes Maul. Ihre gewaltigen Ohren, die niemals zur Ruhe kamen,
nahmen die kleinsten Geräusche auf und prüften sie.
Wenn eines von diesen verdächtig schien, dann zogen sie in
leichtem Trab davon, aber ein laufender Mann hätte ihnen nicht
folgen können. Sie flohen mit gewölbtem
Rücken, wie von Ärger überwältigt,
den schweren Kopf mißbilligend nach rechts und links
schüttelnd, indes sie mit den Augen verächtlich
zwinkerten, als wollten sie auf ihre Weise sagen: »Uns wird
man nicht überlisten.« Im Hochsommer verschwanden sie
in östlicher Richtung, und man sah sie erst im
nächsten Jahre wieder.
    Kürzlich war ein Mammut auf einem schmalen Weg, der
an dem durch Regengüsse angeschwollenen Sumpf entlang
führte, ausgerutscht. Im lehmigen Boden steckengeblieben,
versank es durch seine Anstrengungen, sich zu befreien, immer tiefer.
Es trompetete wütend. Durch den weithin dringenden
Lärm angelockt, liefen die Männer des Stammes herbei,
und das überraschende Schauspiel, das sie vor Augen hatten,
erregte noch lange nachher ihre höchste Verwunderung: Zwei
Mammute standen am Rande des Sumpfes und versuchten, ihren Genossen zu
befreien. Der eine von ihnen umschlang dessen Rüssel, der
andere hatte ihn bei den Stoßzähnen erfaßt.
Auf den festen Boden gestemmt, zerrten sie vergeblich mit aller Kraft
an der gewaltigen Masse, die schon mehr als zur Hälfte
versunken war. Als sie die Jäger herbeikommen sahen, hielten
sie inne und stießen so fürchterliche Töne
aus, daß die Menschen zurückwichen. Erst
spät in der Nacht erkannten die beiden erschöpften
Mammute die vollkommene Zwecklosigkeit ihrer Anstrengungen und
verschwanden langsam. Ihr Gefährte war schon tot. Nur die
graue Wölbung des Schädels ragte noch aus dem Wasser.
    Am nächsten Morgen kamen die Jäger
zurück. Nach langen Beratungen entschieden sie, daß
keine Gefahr mehr von dem Mammut drohe. Einige Männer warfen
sich, an Riemen gebunden, in den trüben Sumpf und schlangen
zwei starke Seile aus geflochtenem Leder um die
Stoßzähne des Tieres. So versuchte man es auf
trockenen Boden zu ziehen. Da dies nicht gelang, entschloß man
sich, die Stoßzähne, die nicht weniger als sechs
Fuß lang waren, hart am Schädel abzuschneiden. Diese
schwierige Arbeit mußte unter Wasser gemacht werden, und so
dauerte es mehrere Tage, bis sie beendet war. Im Triumphzuge wurde die
Beute dann zu den Wohnstätten gebracht.
    Der Körper des versunkenen Tieres faulte
während des ganzen Sommers im Sumpfe. Das Wasser war gesunken;
ein widerlicher Gestank verbreitete sich in der Umgebung. Eine
gewaltige Unruhe bemächtigte sich der Menschen. Welche Geister
mochten sie wohl beleidigt haben, als sie ihre Beute der Waffen
beraubten? Unter Führung des Häuptlings Rahi, dem
drei Weise des Stammes beistanden, versuchten sie Zeremonien der
Versöhnung. Ein Mammut, ganz ähnlich dem toten, wurde
in eine aus dem Elfenbein des Tieres geschnittene Platte geritzt. Es
wäre keine bessere Abbildung des Tieres denkbar gewesen. Seine
Zähne ragten in die Höhe, und sein Rüssel
schlug durch die Luft. Zu diesem Elfenbeinbilde sprach einer der Weisen
die nötigen Sprüche und versenkte es sodann an jenem
Ort, wo der Körper des Tieres verweste. Der
aufgestörte Geist beruhigte sich. Ein starker Regen kam
über das Land, der vierundzwanzig Stunden dauerte. Der Sumpf
stieg um zwei Fuß. Das Mammut verschwand. Nur die Blasen, die
an die graue Oberfläche des Wassers stiegen,
kündeten, daß der Geist noch immer wachte. Doch
schaden konnte er nicht mehr.
    Seltener noch als die Mammuttiere sah man manchmal auf den
feuchten Weideplätzen im Westen ein Paar Rhinozerosse mit
langer Schnauze, auf der zwei Hörner emporragten. Ihre
massigen, unbeholfenen Körper bedeckte eine Art Panzer, der
stark behaart war. Sie schienen einer entschwundenen Welt
anzugehören und sich mühsam durch eine neue
Gemeinschaft zu schleppen, mit der sie nichts als unheilbarer
Lebensüberdruß verband. Niemals
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