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Glaenzend

Glaenzend

Titel: Glaenzend
Autoren: Emma Green
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Gabriels diesbezügliche Verschwiegenheit, das Liebesdreieck, das ich ja schon geahnt hatte, und die Tatsache, dass Virgile von Geburt an von seinem Onkel aufgezogen wurde … Doch nun taucht eine neue Frage auf: Was, wenn Gabriel gar nicht sein Vater ist? Wenn sich Eleanor deshalb, wegen ihrer Schuldgefühle, umgebracht hat?
    Nach einer kurzen, unruhigen Nacht kehre ich ans Krankenbett meiner Mutter zurück, die jeden Tag blasser wird. Die Ärzte sprechen von einer Blutkrankheit, sie konnten Leukämie ausschließen, doch leider keine genauere Diagnose stellen. Es ist ein Teufelskreis: je länger es dauert, desto weniger finden sie und desto schlechter geht es ihr. Ihre Machtlosigkeit erinnert mich an meine eigene, und ich verfalle in eine tiefe Hoffnungslosigkeit, die beginnt, an meinem unverbesserlichen Optimismus zu nagen.
    Was, wenn sie sich nicht erholt? Was, wenn sie in diesem Bett langsam stirbt?
    Die einzige gute Nachricht ist, dass sie ihren Gewichtsverlusst durch künstliche Ernährung in den Griff bekommen haben. Doch ihr Blutdruck ist so niedrig, dass man befürchtet, sie könnte in ein Koma fallen, aus dem sie vielleicht nicht mehr aufwacht. Ich will jede klare Minute meiner armen Mutter ausnutzen, doch meine täglichen Besuche sind für uns beide unheimlich anstrengend. Besonders heute schaffe ich es kaum, ihr Zimmer zu betreten, so schön es auch ist. Als ich mich dem Fenster nähere, durch das ich auf ihr Bett sehen kann, bemerke ich, dass Gabriel mit dunkler und feierlicher Miene bei ihr sitzt und ihre magere Hand in seinen großen Händen hält. Durch die Türe, die nur angelehnt ist, dringen Gesprächsfetzen zu mir, die mir die Tränen in die Augen treiben.
    „Ich verspreche Ihnen, ich werde mich um Ihre Tochter kümmern […] Ich werde ihr niemals wehtun. […] Ich weiß, ich bin nicht perfekt und es ist nicht einfach mit mir […] Ich bleibe bei ihr, so lange sie mich will. […] Es fällt mir nicht leicht, mich zu binden, aber ich kann mir eine Zukunft ohne sie nicht mehr vorstellen. […] Das alles zu sagen, ist wirklich schwer für mich […] Ich liebe Ihre Tochter, Madame Baumann. […] Ich liebe sie.“
    Ich stürze ins Zimmer und umarme meine Mutter. Ich drücke sie so fest, wie es ihr schwacher Körper zulässt. Ich bringe kein Wort über die Lippen und laufe mit Tränen in den Augen hinaus. Auf der Fahrt nach Hause mit dem Auto, das mir Gabriel geliehen hat, beginne ich zu schluchzen, als ich an seine Worte denke, an diese erste Liebeserklärung, die er vor meiner Mutter und nicht mir selbst gemacht hat. Und an die Bedeutung, die diese Worte am Bett einer kranken Frau haben, als würde er es ihr gestehen wollen, bevor es zu spät ist. Seine Liebeserklärung scheint ein Todesurteil zu sein.
    Ich heule wie ein Schlosshund und ertappe mich dabei, dass ich eifersüchtig auf meine Mutter bin. Ich weine beim Gedanken daran, dass mein grausamer Geliebter seine Gefühle nur preisgibt, weil ich bald Halbwaise bin. Ich weine, als ich daran denke, dass er nur mit mir zusammen sein will, weil ich sonst alleine bin. Ich weine und weine, als mir klar wird, dass er sie schon sterben sieht, obwohl ich keine Sekunde daran gedacht habe, dass sie es nicht schaffen könnte. Ich weine schon um meine Mutter. Und ich weine, während ich mir eingestehe, dass Liebe und Tod in der Welt der Diamonds Hand in Hand gehen.
    Als ich zur Villa komme, ignoriere ich absichtlich den Butler, der mich mit seinem freundlichen Lächeln begrüßt, und stoße beinahe mit dem Zimmermädchen zusammen, das mir im Flur über den Weg läuft. Ich lasse mich auf das frisch gemachte Bett fallen und vergrabe mein verweintes Gesicht in den weißen Kissen.
    „Es ist sehr gefährlich, mit dem Auto zu fahren, wenn man so weint.“
    „Gabriel? Wie bist du …“
    „Meine Amande, deine Tränen brechen mir das Herz …“
    „Und deine Worte haben mir das Herz gebrochen.“
    „Du hättest das nicht hören dürfen.“
    „Und du hättest das nicht sagen dürfen! Nicht zu meiner Mutter! Nicht, wenn du es nicht empfindest!“
    „Süße Amande …“
    „Du bist ein Feigling, Gabriel. Einer sterbenskranken Frau so etwas zu sagen, sie anzulügen, nur um sie zu beruhigen und als perfekter Schwiegersohn dazustehen. Und wozu? Damit sie in Frieden sterben kann? Mit deinen Worten hast du ein Todesurteil über sie ausgesprochen! Du machst dich über sie und über mich lustig, du bist so falsch! Ich habe keine Ahnung, wer du bist! Ich weiß ja
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