Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Weg der gefallenen Sterne: Roman

Der Weg der gefallenen Sterne: Roman

Titel: Der Weg der gefallenen Sterne: Roman
Autoren: Caragh O'Brien , Oliver Plaschka
Vom Netzwerk:
1 Exodus
    Gaia legte einen Pfeil ein und spannte den Bogen.
    »Keine Bewegung!«, rief sie. »Auf die geringe Entfernung schieße ich nicht vorbei, und ich ziele genau auf deine rechte Niere.«
    Der Nomade lag mit in die Stirn geschobener Schutzbrille am Rand der Klippe auf dem Bauch und spionierte Gaias Karawane mit einem Fernglas aus. In Griffweite neben ihm lag ein altes Gewehr. Als er ihre Stimme hörte, ließ er das Fernglas sinken.
    »So ist’s gut«, sagte Gaia. »Jetzt rutsch langsam von dem Gewehr weg.«
    Der Nomade aber rollte sich zur Seite, warf das Fernglas nach ihr und griff nach der Waffe. Gaia ließ den Pfeil von der Sehne schnellen, er durchbohrte die Hand des Nomaden und sandte das Gewehr in hohem Bogen über den Klippenrand. Ehe der Spion sich von seinem Schreck erholen konnte, hatte Gaia schon einen neuen Pfeil eingelegt und trat mit dem Fuß auf die aufgespießte Hand.
    »Ich habe gesagt, keine Bewegung!«
    Sie zielte nun direkt auf sein Gesicht – und da erst bemerkte sie, dass die Züge unterhalb der schweren Brille die eines jungen Mädchens waren.
    Überrascht nahm Gaia den Fuß von der Hand des Mädchens. Sie riss ihr noch den Dolch aus dem Gürtel, dann wich sie zurück. Ein kurzer Blick über die Schulter zeigte ihr, dass sie noch immer alleine auf der Klippe waren. Wo steckten nur ihre Scouts? Der Himmel über ihr war ein glänzender Baldachin aus Rosa- und Orangetönen, doch das Ödland war in die aschfarbenen Schatten der Dämmerung getaucht, sodass man nur Schemen erkennen konnte. Gaia spannte wieder ihren Bogen.
    »Du bist bestimmt nicht alleine hier draußen«, stellte sie fest. »Wo stecken deine Leute?«
    Das Nomadenmädchen krümmte sich vor Schmerzen. Rotes Blut tropfte von ihrer Hand auf die Felsen, und die Federn des Pfeils erblühten wie eine hochgiftige Blume aus dem Handrücken.
    »Jetzt rede schon«, drängte Gaia sie.
    Stattdessen kauerte sich die kleine Nomadin über ihre durchbohrte Hand. Der Schmerz stand ihr in den dunklen Augen, um die ihre Schutzbrille schmutzige Ränder gezeichnet hatte. Hätte Gaia nicht gewusst, dass sie eben noch bewaffnet gewesen war, sie hätte sie für das verletzlichste, hilfloseste Geschöpf gehalten, das ihr je untergekommen war.
    »Verstehst du mich?«, fragte sie.
    Das Mädchen gab noch immer keine Antwort, doch der wachsamen Art und der ursprünglichen Reaktion nach zu schließen, war Gaia davon überzeugt, dass sie sehr wohl verstand.
    Sie hatte kein gutes Gefühl bei der Sache. Abermals ließ sie den Blick umherschweifen, über Felsen, Sträucher, Schatten. Wenn sie ein so junges Mädchen zum Spionieren losschickten, mussten die Nomaden in einer verzweifelten Lage sein, aber das machte sie nicht weniger gefährlich. Unter ihnen, in Schussweite, machten die neunzehn Klane von Gaias Karawane gerade Feuer und Kochtöpfe bereitet, um ihr sorgsam rationiertes Abendessen zu kochen. Sie konnten es sich nicht leisten, etwas davon an Räuber zu verlieren.
    Die Nomadin war ganz sicher nicht alleine. Ihre Kleidung aber bestand nur noch aus Fetzen, und ihre Stiefel, die einmal von einer gewissen Qualität gewesen sein mochten, waren voller Staub und kündeten von den vielen Kilometern, die sie zurückgelegt hatten. Da schaute das Mädchen überrascht zu den nahen Sträuchern, und im selben Moment hörte auch Gaia ein Rascheln. Sie duckte sich tiefer, den Bogen nach wie vor auf das Mädchen gerichtet.
    »Ganz ruhig«, flüsterte sie. »Wenn jemand uns angreift, erwischt es dich zuerst.«
    »Gaia? Bist du das?«, hörte sie eine vertraute Stimme.
    Erleichtert richtete sie sich auf und ließ den Bogen sinken. Chardo Peter und fünf ihrer Scouts traten näher und verteilten sich rasch über die Felsen.
    »Wir haben nach dir gesucht«, sagte Peter. »Ist alles in Ordnung?«
    »Natürlich«, sagte Gaia. »Allerdings hatte ich mit vierzig Scouts hier oben gerechnet. Wo stecken denn alle?«
    »Noch weiter draußen«, sagte Peter. »Aber sie kommen schon näher. Siehst du, dort?«
    Auf der nächstgelegenen Klippe konnte Gaia Bewegung ausmachen. Zwei Scouts zeichneten sich vor dem Himmel ab und huschten dann weiter. Sie steckte den Pfeil zurück in den Köcher und warf sich den Bogen über die Schulter.
    »Warnt sie, dass wir nicht alleine sind. Und ich möch te, dass die nähere Umgebung noch einmal abgesucht wird – jetzt gleich.« Ein paar Scouts verschwanden in den Schatten. Gaia trat auf das Mädchen zu. »Wer ist noch da draußen?«
    Das Mädchen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher