Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Weg der gefallenen Sterne: Roman

Der Weg der gefallenen Sterne: Roman

Titel: Der Weg der gefallenen Sterne: Roman
Autoren: Caragh O'Brien , Oliver Plaschka
Vom Netzwerk:
er ruhig, schenkte Angie noch ein knappes Lächeln und ging.
    Dinah warf ihm einen langen Blick nach. »Was war das denn?«, fragte sie.
    »Was meinst du?«
    Sie zeigte mit dem Daumen auf Peter und stockte. »Ach, gar nichts.«
    Gaia ließ sich neben ihrem Bruder nieder. »Was gibt’s Neues?«, fragte sie Dinah. »Sind unsere Kundschafter schon zurück? Munsch und Bonner?«
    »Nein. Wir haben nichts mehr von ihnen gehört, seit sie zur Enklave aufgebrochen sind.«
    »Sie sind schon ziemlich lange weg. Was war sonst noch?«
    Dinah setzte sie über die jüngsten Neuigkeiten ins Bild: Es hatte Hickhack zwischen den Bergleuten und den Fi schern gegeben, das Fieber einer Kranken wollte einfach nicht sinken, das Maismehl wurde allmählich knapp, und eine Stangenschleife war gebrochen. »Chardo Will repariert sie gerade. Sonst war nichts Ernstes.«
    »Sind Leon und die Krims schon da?«
    »Noch nicht. Er hat aber Bescheid gegeben, dass sie etwa bis Sonnenuntergang brauchen.«
    Er ist spät dran, dachte Gaia.
    Sie konnte sich nicht entspannen, ehe nicht alle Klane das Nachtlager erreicht hatten – auch und vor allem die Krims. Leon trug auf dem Exodus die Verantwortung für rund ein Dutzend Gefangene, die versuchten, sich ihre Freiheit zu verdienen, bis sie Wharfton erreichten. Als Zugeständnis an die Sicherheit der anderen waren sie paarweise an den Füßen zusammengekettet. Das führte dazu, dass sie immer als Letzte das Lager erreichten, inklusive Leon.
    Dinah versorgte Angies Hand. Der glasige Blick des Mädchens verriet Gaia, dass sie ihr etwas Mohnlilie gegen die Schmerzen verabreicht hatte. Sie selbst kümmerte sich derweil um Jack. Als Erstes schnitt sie sein Hemd auf und säuberte die Wunde vorsichtig mit einem feuchten Schwamm. Der Schnitt unter dem getrockneten Blut war lang und tief. Die Ränder waren unregelmäßig und hatten sich bereits entzündet.
    »Ganz schön schlimm, was?«, fragte Dinah.
    »Ja.« Gaia schaute ihren Bruder an und überlegte, was sie tun sollte. Er war nicht bei Bewusstsein.
    Im Laufe des letzten Jahres war es mehrmals vorgekommen, dass ein medizinischer Notfall ihre Fähigkeiten überstieg, und sie hatte es sich zur Regel gemacht, ihren Patienten schonungslos die Wahrheit zu sagen und sie selbst entscheiden zu lassen. Manchmal hatte der Patient es vorgezogen, nichts zu unternehmen, und war gestorben. Manchmal war er auch von allein wieder auf die Beine gekommen. Meistens hatten die Patienten sich für eine Naht oder einen Druckverband entschieden; einmal hatte sie auch eine zerquetschte Hand amputiert, und der Mann hatte es überlebt. An Leuten herumzuschneiden war aber nicht ihre Stärke, und sie wollte es keinesfalls ohne deren Einwilligung tun.
    »Irgendwelche Vorschläge?«, fragte sie.
    Dinah überließ Angie kurz sich selbst, kam zu ihr und strich sich den Zopf zurück. »Es blutet schon nicht mehr so schlimm«, stellte sie fest.
    Gaia betrachtete den Schnitt genauer. »Ich werde die Wunde ausspülen«, beschloss sie. Sie goss etwas kochendes Wasser in eine Schüssel und warf drei Blätter Schlangenwurzel und einen Zweig Zaubernuss hinein. Dann rührte sie das Wasser, bis es abgekühlt war, und goss die Hälfte der Lösung in Jacks Wunde. Das Wasser blubberte leicht.
    »Das sieht nicht gut aus«, murmelte Gaia.
    Sie säuberte die schlimmsten Stellen mit einem Skalpell, dann zog sie die Ränder etwas auseinander, um hineinsehen zu können. Die schwarze, eckige Spitze eines Messers tauchte an der tiefsten Stelle des Schnitts auf, ehe frisches Blut sie wieder bedeckte.
    Behutsam entfernte Gaia die Messerspitze mit einer Pinzette, dann spülte sie die Wunde erneut mehrmals aus, bis das Wasser keine Blasen mehr warf und sauber abfloss. Sie legte eine Drainage, zog das Muskelgewebe wieder zusammen und wickelte einen Verband um die Wunde. Sie wünschte, sie hätten ein paar Antibiotika.
    »Wie ist dein Bruder denn so?«, fragte Dinah, als Gaia sich endlich zurücksinken ließ. Auch sie war gerade mit ihrer Arbeit fertig geworden.
    »Ich kenne ihn kaum. Wir haben uns nur ein paarmal unterhalten. Ich weiß aber, dass er tapfer und selbstlos ist – er hat mich damals aus der Bastion befreit. Dabei gehörte er zur Wache, genau wie Leon.«
    »Wie alt ist er?«
    Sie rechnete kurz. »Zwanzig, wie Leon. Warum?«
    Dinah betrachtete ihn nachdenklich. »Er sieht älter aus.«
    Der Feuerschein verlieh Jacks Gesicht etwas Farbe, doch seine Lippen wirkten trocken und spröde. Gaia vertiefte sich in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher