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Der Weg der gefallenen Sterne: Roman

Der Weg der gefallenen Sterne: Roman

Titel: Der Weg der gefallenen Sterne: Roman
Autoren: Caragh O'Brien , Oliver Plaschka
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immer wieder in eine stumme Wut. Gaia hatte aber gelernt, dass es ihm half, wenn er sich in diesen Momenten um Maya kümmern durfte.
    Die Mütter des Instituts hatten ihre Armbänder durchtrennt und pflegten wieder regelmäßigen Kontakt zu ihren Familien. Zwar hatten die meisten vor, ihre Kinder wie versprochen abzugeben, doch Sasha und eine weitere Mutter arbeiteten bereits an einer Vereinbarung mit den jeweiligen Eltern, die den Müttern ein gemeinsames Sorgerecht garantierte. Bruder Rhodeski war immer noch zuversichtlich, dass das Institut ein Erfolg werden würde – und tatsächlich hatte er bereits die nächste Runde zukünftiger Mütter unter Vertrag. Weder verstand Gaia, was diese Frauen dazu bewog, noch konnte sie sich an den Gedanken gewöhnen, dass sie eines Tages ihre eigenen biologischen Kinder in der Enklave treffen und diese sie vielleicht nicht einmal kennen würden. Doch sie sah ein, dass alle Mütter das Recht hatten, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen – und immerhin hatte Bruder Rhodeski Wort gehalten und mit dem Bau eines Wasserwerks vor der Mauer begonnen. Sie nahm an, dass sein eigentlicher Antrieb Schuldgefühle waren.
    Der Protektor saß im Gefängnis und wartete auf seinen Prozess. Wahrscheinlich erwartete ihn lebenslange Haft. Genevieve stand in der Bastion unter Hausarrest und wurde rund um die Uhr bewacht, damit sie sich nicht das Leben nahm.
    »Ich verstehe sie nicht«, gestand Gaia ein. »Ich hatte immer den Eindruck, dass du ihr sehr viel bedeutest.«
    »Letztlich musste sie sich entscheiden – entweder ihr Mann oder ich«, sagte Leon. »Ich möchte sie nicht auf unserer Hochzeit haben.«
    Sie nickte. »In Ordnung. Aber Evelyn und Rafael doch schon?«
    »Natürlich. Genau wie deine Brüder und die Jacksons. Sonst noch wer aus der Enklave?«
    Sie ging im Kopf die Reihe ihrer Freunde durch. »Was ist mit Rita?«
    Er lächelte wieder. »Rita unbedingt. Das wird auch Jack freuen. Er hatte immer schon eine Schwäche für sie.«
    Gaia lachte, sagte aber lieber nichts dazu.
    Er fuhr mit einem Finger ihre Halskette entlang. »Ich wünschte wirklich, deine Eltern könnten deine Hochzeit noch erleben.«
    »Ich auch.«
    Tags zuvor hatten sie einen Spaziergang zu dem alten Armenfriedhof unternommen und das Grab von Gaias Eltern besucht – zwei schlichte Steine, nebeneinander an dem staubigen Hang. Verglichen mit all den frischen Gräbern seit der Rebellion hatte es beinahe friedlich gewirkt. Ehe New Sylum auch nur eine Schule oder ein Rathaus oder eine Bücherei besaß, gab es schon einen Friedhof – denn Viele hatten während der Rebellion ihr Leben verloren, und Hunderte waren verletzt worden. Will hatte ein Dutzend Beerdigungen in New Sylum geleitet, zuletzt die von Peter. Die neuen Gräber lagen in einer kleinen Bucht des Trockensees, wo eine Schwester jenes Windes, der einst auf den schwarzen Reisfeldern des Sumpfes von Sylum gespielt hatte, Wellen in das hohe Gras blies.
    »Vermisst du Peter sehr?«, fragte er.
    Sie wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Der Gedanke an ihn war noch zu schmerzhaft.
    »Du kannst es mir ruhig sagen«, fügte er hinzu. »Es bringt mich schon nicht um, wenn du ihn auch geliebt hast.«
    Sie hob den Blick und schaute ihn an. »Aber das habe ich nicht.«
    »Gaia«, sagte er bedächtig.
    Sie sah sich außerstande, die Gefühle zu erklären, die Peters Verlust in ihr auslöste. Es war kompliziert: Sie fühlte sich schuldig dafür, wie sie ihn in Sylum behandelt hatte. Gleichzeitig war er ihr manchmal regelrecht lästig gewesen. Er hatte aber auch eine Gabe gehabt, sie zu durchschauen, die ihr sehr viel bedeutet hatte. Und manchmal war er einfach bloß Peter gewesen, und wunderbar auf seine ganz eigene Art. Er hatte es nicht verdient, zu sterben.
    »Woran denkst du?«, fragte Leon.
    Ihr Blick verharrte noch einen Moment auf dem warmen Fleckchen zwischen seinem Hals und seinem Kragen, dann schaute sie ihm wieder in die Augen.
    »Ich habe dein Vertrauen nicht enttäuscht.«
    Leon lächelte. »Das habe ich auch nie bezweifelt. Ich dachte bloß, er fehlt dir.«
    »Das tut er auch. Ich werde ihn vermissen. Er war ein toller Kerl.«
    Da hörten sie Gelächter, und eine alte Frau kam, auf eine Freundin gestützt, vorüber.
    »Wie geht es Will?«, fragte Leon.
    »Schon besser. Er trauert noch, aber er schafft das schon.«
    Will hatte sich verändert. Sie wusste nicht genau, wann und warum, doch das feine, unsichtbare Band, das ihn stets zu ihr hingezogen hatte,
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