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Girl

Girl

Titel: Girl
Autoren: David Thomas
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Dann blickte er sich im Zimmer um. »Wir befinden uns hier im Beisein von Damen.«
    »Yeah«, sagte ich. »Und ich bin auch eine.«
    Danach gaben sie sich eher verschlossen. Meine Mutter redet nicht gern über Dinge, die sie für schmutzig hält, wie Sex oder sämtliche Körperteile, die irgendwie damit zu tun haben. Aber nach einer Weile hüstelte sie und gab ein leises Fiepen von sich, und ich sah, dass sie unbedingt etwas loswerden wollte, es aber nicht über die Lippen brachte.
    »Na los, Mum«, sagte ich, »wo zwickt’s denn?«
    »Nun«, sagte sie, »ich musste nur an diesen Mann in Amerika denken, diesen Mr. Bobbitt, dem seine Frau den… du weißt schon… abgeschnitten hat. Das haben sie ihm doch wieder angenäht, nicht wahr? Ich meine, vielleicht, sie könnten doch, weißt du …« Und dann liefen ihr nur noch die Tränen.
    »Oh, es tut mir so leid, Bradley. Ich hatte mir fest vorgenommen, nicht zu weinen …«
    »Na, na«, brummelte Dad, »nun reg dich mal nicht so auf.«
    Aber für Mum gab’s kein Halten mehr. »Es ist doch nur, wenn ich sehe, was sie mit meinem lieben, starken, gutaussehenden Jungen gemacht haben, dann muss ich einfach …«
    Und sie schluchzte geschlagene fünf Minuten, in denen Dad und ich verlegen in der Gegend herumstierten, wie Männer das eben tun, wenn Frauen weinen.
    Mittendrin heulte sie plötzlich auf: »Und noch dazu, wo du auf dem College warst und deinen Abschluss gemacht hast!« Als ob das irgendwie damit zu tun hätte. Schliesslich beruhigte sie sich wieder, aber da war auch schon eine Schwester erschienen und sagte, sie müssten jetzt gehen. Ich dürfte keine längeren Besuche empfangen. Zumindest im Augenblick nicht.
    Sie kramten ihre Sachen zusammen, und dann sagte meine Mutter: »O Bradley, fast hätte ich es vergessen. Ich habe dir ein paar Weintrauben mitgebracht. Und … und … also, ich habe dir eins von Kates Nachthemden mitgebracht. Ich dachte, du könntest es brauchen.«
    13. November
    Ich glaube, ich weiß, was passiert ist. Ich soll es eigentlich nicht wissen, aus gesetzlichen oder sonst welchen Gründen, aber die kleine Rothaarige – sie heisst übrigens Jackie, Jackie Perkins – hatte Mitleid mit mir und hat es mir gesteckt.
    St. Swithin’s hat offenbar im Zuge des Sparhaushalts der Regierung Mittel gestrichen bekommen, so dass die allgemeine Moral ziemlich den Bach runter ist und der Hälfte der Belegschaft so ziemlich alles egal ist, solange sie nur an ihre Abfindung kommen. Jedenfalls werden an allen Ecken und Enden Leute entlassen, und am Morgen meiner Operation hatten einige Pfleger ihre Entlassungspapiere bekommen. Also sind sie erst einmal mit allen Stationskollegen einen saufen gegangen und waren ziemlich knülle, als sie am Nachmittag wieder zum Dienst erschienen.
    Inzwischen sitze ich, Bradley Barrett, auf der von K2 Doppelverglasungen gesponserten Männerstation und warte darauf, dass man mir die Weisheitszähne rausnimmt. Zur gleichen Zeit sitzt drüben auf der privaten Gänseblümchenduft-Körperpflege-Abteilung für Frauen Charmaine Pearson, eine Transsexuelle, die seit zwei Jahren als Frau lebt, auch wenn sie noch ihr Grünkohl mit Pinkel mit sich herumschleppt, wenn Sie verstehen, was ich meine.
    Heute ist also der grosse Tag, an dem sie das ganze Zeug loswerden und ihr ein hübsches Paar Möpse untergeschoben werden soll, damit sie dann endlich eine richtige Dame ist. Na ja, so ganz richtig auch nicht, bei ihrem Aussehen, aber zumindest um einiges richtiger als je zuvor.
    Ihre und meine Operation finden in angrenzenden OPs statt. Man stopft uns also mit OP-Medizin voll, schickt uns in den Tiefschlaf und rollt uns dann unseren Chirurgen entgegen. Aber auf der Fahrt mit unseren überdimensionierten Einkaufswagen kommen sich die beiden Kerle, die uns schieben und die mindestens sechs Halbe und als Bonus noch einige Kurze intus haben, auf dem Flur in die Quere.
    Rumms! Die Wagen knallen ineinander, und ich und Charmaine segeln zu Boden. »Verdammte Scheiße«, sagt der eine Pfleger. »Bockmist«, meint der andere, und sie heben uns auf, knallen uns wieder auf ihre Klitschen und stolpern weiter in Richtung Operationssaal. Bis auf den kleinen Unterschied, dass sie den jeweils falschen Patienten auf ihrem Karren haben, wetten?
    Drei Stunden später erwacht Charmaine ohne Weisheitszähne auf, mit einem Gesicht wie ein Hamster, der gerade zehn Runden mit Mike Tyson hinter sich hat, und einem Körper, der in allen entscheidenden Feinheiten
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