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Gib's mir

Gib's mir

Titel: Gib's mir
Autoren: Kristina Lloyd
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probieren, dann führe ich das Teil an meinen Mund und lecke einmal daran entlang.
    Stück für Stück biete ich Tony mehr an. Es ist, als wären nur er und ich im Raum, und wir würden allein das alberne Bananenspiel spielen. Tony reagiert, indem er versucht, meine Tricks durch seine zu verhindern und dadurch mehr von der Banane in den Mund zu bekommen, als ich ihm geben will.
    Schließlich umschließt sein Mund mehr als die Hälfte. Seine lüsternen Blicke hängen an mir, und er sieht wirklich aus wie ein Idiot.
    Dann lasse ich es so aussehen wie eine etwas zu ausholende Bewegung und fege ein fast volles Pint-Glas mit Bier vom Tisch.
    Das Glas rutscht genau in Tonys Schoß, das ganze Bier ergießt sich, und er springt entsetzt auf, spuckt dabei in hohem Bogen die Plastikbanane aus.
    Die Leute an den umliegenden Tischen biegen sich vor Lachen.
    Meine Blicke fliegen hinüber zu Ilya. Ärger flackert auf in seinem Gesicht, nicht weil er nass ist – was er ja nicht ist –, sondern weil er wütend auf mich ist. Ich hatte diesen Ärger schon mal an ihm beobachtet, die Art, wie er von ihm Besitz ergreift und seine Haltung zerstört.
    Als er bemerkt, dass ich ihn beobachte, versucht er so gut wie möglich seine Wut zu verbergen und wendet seine Aufmerksamkeit dem armen, durchnässten Tony zu.
    Aber ich hatte ihn angesehen. Ich hatte einen kurzen Augenblick lang gesehen, was wirklich in ihm vorging. Er weiß, dass ich die Sache mit dem Bier mit Absicht inszeniert hatte, und das macht ihn wütend, weil alles, was er von mir wollte, war, dass ich die brave kleine Hure spielte, die in der Lage war, seine Kreditoren versöhnlich zu stimmen.
    Deutlich, fast brutal in der Unvermitteltheit, wird mir in diesem Moment meine Situation klar: Ilya macht sich keine Gedanken um mich, zumindest nicht so, wie ich es mir wünschen würde. Ihm ist sein eigener Hals wichtiger, und dafür benutzt er mich in einer Art und Weise, wie ich nicht benutzt werden möchte.
    Während Tony noch an dem feuchten Fleck auf seiner Hose herumreibt und irgendjemand zur Bar gehechtet ist, um von dort einen Lappen zu holen, begebe ich mich lässig an den nächsten Tisch.
    Es gibt keinen Grund, meine Drangsalierer noch mehr anzutörnen. Das hab ich bereits zur Genüge getan.
    Und jetzt endlich habe ich meine Entscheidung getroffen.

    Heute war ein guter Tag, heute war ein schlechter Tag.
    Gestern Abend, kurz nach meinem kleinen Unfall mit dem Bier, verließen Ilya und seine Bande die Veranstaltung. Ilya sagte kein Wort zu mir – nicht mal «Tschüs, ist schon gut, trotzdem vielen Dank» oder «Das war toll» oder «Du alte Hexe, warum musstest du das tun?». Er hatte bloß eine Weile vor sich hin gekocht mit einem Gesicht wie drei Tage Regenwetter, dann waren sie alle zusammen rausgegangen.
    Ich hab mir zuerst ziemliche Sorgen gemacht. Ich musste immer daran denken, dass Ilya nun vielleicht Tonys Wut zu spüren bekäme. Oder vielleicht auch ich.
    Ich konnte nicht schlafen – nicht bloß deswegen, sondern auch, weil mir noch Tausende anderer Dinge im Kopf herumgingen. Und als ich im Bett lag, rechnete ich jeden Moment damit, dass mein Telefon läutete oder es an der Tür klingelte, und ich irgendwohin zitiert würde, um mich von Tony in irgendeiner Form mies behandeln zu lassen.
    Und wenn ich mich darauf nicht einließe, würden sie Ilya tatsächlich die Kniescheiben wegschießen, oder sie würden Zigaretten in seinem Gesicht ausdrücken oder seine Zungenspitze mit einer Schere abschneiden. Oder, was noch wahrscheinlicher war, sie würden sich um meine Weigerung gar nicht scheren, und Tony würde mit mir sowieso machen, was ihm gerade in den Sinn kam.
    Mir kamen lauter schreckliche, kranke Gedanken, als ich mir auszumalen versuchte, was Tony schlimmstenfalls an sadistischen Foltermethoden einfallen könnte. Wenn dein Kopf plötzlich wie vollgestopft zu sein scheint mit Gewalttätigkeit, so wie ich es gestern Nacht empfand, dann ist das eine wahrhaft scheußliche Erfahrung. Und du kannst dich dem nicht so leicht entziehen. Sosehr ich mich auch bemühte, an schöne Dinge zu denken – ein Teil meines Gehirns schien anderen Befehlen zu folgen, indem es immer wieder schreckliche Vorstellungen zwischen meine inzwischen wieder positiveren Gedanken schob.
    Aber niemand meldete sich, und als die Morgendämmerung mir meinen klaren Kopf wiederbrachte, war mir klar, dass Tony auf einen solchen Vorfall, bei dem es ja immerhin nur um ein bisschen verschüttetes Bier
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