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Gib's mir

Gib's mir

Titel: Gib's mir
Autoren: Kristina Lloyd
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manchmal vorsichtig meine Beine und ziehen dann wieder ab.
    Während ich mich winde, mich streichle und meine Lippen verführerisch spitze, lasse ich den Blick durch die Löcher in meiner Maske im Raum umherschweifen. Jennys pelzige Liebesherzen, gesprenkelt von den Lichteffekten, hängen von der Decke. Sie sehen gut aus. Das grelle Scheinwerferlicht lässt die äußersten Ränder meines Publikums zu einer gesichtslosen, homogenen Masse verschmelzen. Aber näher zur Bühne, dort, wo die kleinen Tischchen eng beieinanderstehen, kann ich ganz deutlich einzelne Leute ausmachen – die meisten von ihnen lächeln über unsere burleske Darstellung. Gut so.
    Ilyas Gruppe hat natürlich einen der besten Plätze im ganzen Haus. Ihr Tisch, voller Bier- und Schnapsgläser, steht ein kleines bisschen rechts von der Mitte. Tony, die gierigen Augen fest auf mich geheftet, beugt sich gerade zu Ilya hinüber und sagt ihm etwas ins Ohr. Ilya, der mich aufmerksam beobachtet, lächelt und nickt.
    Ich frage mich, ob Ilya die lilafarbene Federboa wohl wiedererkennt von neulich, wo er mich mit verbundenen Augen von hinten genommen und mich zur Freude seiner Kumpels zum Pornostar gemacht hatte. Ich hoffe es, denn das ist der Grund, warum ich sie heute erneut trage.
    Unsere Eröffnungsmusik kommt genau in dem Moment, in dem meine beiden begehrlichen Männer rechts und links von mir stehen, langsam zum Ende. Sie bewegen sich an mir auf und ab, lassen ihre Hände über meinen Körper gleiten, reiben ihren Schritt an meinen Schenkeln. Ich werfe meinen Kopf in den Nacken, zeige mit einer übertriebenen Geste, wie ich mich der Lust hingebe.
    Die Musik gleitet fast unmerklich in einen anderen Titel von Grace Jones hinüber – «Use me» –, und wir kommen wieder in Rage, als der Rhythmus langsam schneller wird.
    Mikey packt meine Handgelenke, hebt meine Arme hoch, und ich drehe, in gespielter Verwirrung, meinen Kopf nach links und rechts, als er plötzlich hinter mir verschwindet und dort stehen bleibt. Mein Körper biegt sich ein wenig nach hinten, wird von seinem gehalten, und in dieser Position werde ich dann, für die Zuschauer gut sichtbar, zur Schau gestellt, während Leo sich hinkniet und mit seinen Händen meine Beine hinaufstreicht bis zu meinen Lenden. Von unten reibt er den Schritt meiner glänzenden Hotpants, und ich schiebe wie geprobt meine Hüften nach vorn, lasse es so aussehen, als würde ich mich ihm gierig entgegenstrecken.
    Meine Möse zuckt vor Erregung. Das ist während der Proben nicht passiert, aber die Proben waren auch kurz und ergebnisorientiert, manchmal frustrierend, manchmal komisch. Geil waren sie keinesfalls. Aber jetzt legt sich Leo mehr ins Zeug, liebkost mich so, dass ich die Kraft seiner Finger spüren kann. Und ich bin auf der Bühne, in einem verdunkelten Raum, durch den farbiges Licht tanzt. Die Scheinwerfer sind auf mich gerichtet, die Musik pulsiert, und jeder schaut mir zu. Das erregt mich mehr als alles andere.
    Während Grace Jones davon singt, wie gut es sich anfühlt, wenn man benutzt wird, springt Leo auf, findet geschickt den kleinen Schlitz am Ausschnitt meines durchsichtigen Oberteils und zieht – eins, zwei, drei. Der dünne Stoff zerreißt in der Mitte, legt meine Taille frei und den glitzernden lilafarbenen Bikini. Mich erfasst ein rauschendes Gefühl der Erhabenheit.
    Dann beginnt Leo in gespieltem Entzücken, mit einem Lippenstift auf meiner nackten Haut zu schreiben, von einer Seite auf die andere springend, sich entfernend und wieder zurückkehrend, sodass das Publikum die Entstehung des Wortes verfolgen kann, während er die Buchstaben schreibt, einen nach dem anderen: H-U-R-E.
    Ich kann Ilyas Gesicht nicht sehen, weil ich meinen Kopf im Nacken lassen muss, aber ich wünschte, ich könnte es. Wird er diese Anspielung verstehen? Wird er sich daran erinnern, wie er dasselbe auf meinen Rücken geschrieben hat? Als er und Pete mich stundenlang gedemütigt haben? Wieder hoffe ich, dass er es begreift, denn das ist es, worauf meine Darstellung aufbaut: eine Montage von Sachen, die wir zusammen gemacht haben.
    Warum ich das mache, weiß ich noch immer nicht so genau. Ich weiß nicht, ob ich ihm damit zeigen will, wie gut es war, wie schlimm es war. Ich weiß nicht, ob ich dadurch mit einer Sache abschließen oder mehr davon will. Ich weiß nicht, ob ich ihm damit bedeuten will: Schau her, du Mistkerl, das alles hab ich nur für dich getan, oder: Hey, wir sind hier zwar in der Öffentlichkeit,
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