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Gibraltar

Gibraltar

Titel: Gibraltar
Autoren: Sascha Reh
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ganze Sache nichts an, was ja zumindest dieses Mal auch tatsächlich der Fall war. Warum sie ausgerechnet jetzt meinte, sich einmischen zu müssen, war Carmen schleierhaft. »Du bist still. Das hier hat nichts mit dir zu tun!« Und an Thomas gewandt: »Ich kann nicht länger akzeptieren, wie Sie den Tod Ihres Vaters benutzen …«
    »Carmen. Das ist meine Sache«, meldete sich Bernhard; auch seine Stimme klang wütend. Carmen hörte nicht auf ihn.
    »Es ist einfach abstoßend, wie Sie sich hier als leuchtendes Vorbild der Integrität aufplustern und meinen Mann, der sich für Ihren Vater regelrecht aufgeopfert hat, die Schuld in die Schuhe schieben. So leid es mir tut, aber Sie sollten sich mal fragen, wer sich die ganzen Jahre über von Johann hat finanzieren lassen, ohne seinem Vater je auch nur den geringsten Respekt zu zeigen, bevor Sie anfangen, Bernhard zu beschuldigen.«
    Thomas konnte darauf nichts erwidern; seine Unterlippe bebte, als versuche sie angestrengt, etwas zurückzuhalten. »Sie sind … das ist wirklich … faszinierend«, und dabei verzog er verächtlich seine Mundwinkel, als wäre dies letzte Wort das schmutzigste Schimpfwort, das er sich vorstellen konnte.
    »Wir sind nicht in einer Ihrer Therapiestunden. Sie haben mir nichts voraus, Sie sind auch nur ein Mensch. Und was für ein mickriger.«
    »Das reicht«, schrie nun Valerie und sprang auf, sodass ihr Stuhl in weitem Bogen nach hinten flog. Thomas’ Hund, den Carmen bisher nicht bemerkt hatte, sprang auf und schien sich nicht entscheiden zu können, wen er ankläffen sollte, worauf der Wirt der Hostal-Bar herankam und auf Spanisch einen langen Monolog darüber hielt, dass Hunde verboten seien. Thomas redete währenddessen abwechselnd mit Valerie auf Carmen ein, doch sie achtete nicht auf sie. Bernhard indessen war schweigend aufgestanden und machte sich daran, nach oben zu gehen. Sie wusste, dass sie ihn jetzt keinesfalls allein lassen durfte.
    »Nur damit Sie Bescheid wissen, Herr Milbrandt«, hörte sie Thomas hinter sich, »Sie werden morgen früh mit mir zusammen das Geld zurücküberweisen, oder ich werde Sie anzeigen!«
    »Du steckst mit ihm unter einer Decke«, sagte er wütend, als sie wieder oben im Zimmer waren – oder so wütend, wie es ihm gerade möglich war. »Spielt ihr   guter Bulle, böser Bulle ? Ihr habt euch abgesprochen, oder?«
    »Klang das gerade so, als hätten wir uns abgesprochen?« Sie sah, dass Bernhards Haut mit roten Flecken übersät war, sei es vor Aufregung, sei es aus einem ganz anderen Grund. Jetzt blieb er ohne Antwort, legte sich wieder in seine alte Position auf das Bett. Und schien Ausschau nach der Fernbedienung zu halten.
    »Ich wollte dir nur den Rücken freihalten. Zeit gewinnen.«
    »Zeit gewinnen für was?«
    »Na ja. Für das … was du vorhast.«
    »Was hab ich denn vor?« Er hatte die Fernbedienung deswegen nicht gefunden, weil sie auf dem Fernseher lag; Carmen hatte sie selbst dorthin gelegt. Jetzt gab er die Suche auf. Ein Teil von ihr wurde wütend darüber, dass Bernhard sich so gehenließ; das hier war nicht der Mann, den sie kannte und erwartet hatte. Doch andererseits spürte sie dankbar, wie ihr Mitleid die zärtlichen Gefühle für Bernhard, die sie so oft vor ihm in Sicherheit hatte bringen müssen, offen und schutzlos aus ihrer Deckung hervortreten ließ. »Das weiß ich nicht, Bernhard. Aber ich bin bei dir.«
    Sie stellte sich ans Fenster und knöpfte langsam ihre Bluse auf. Unten, auf dem großen Platz, der nun im gelben Schimmer der Straßenbeleuchtung lag, sah sie die Glut einer Zigarette aufglimmen.
    »Valerie mag ihn wirklich, glaube ich. Diesen Thomas.« Sie drehte sich um zu Bernhard. »Es tut mir leid. Das mit Johann. Ich kann sehen, wie es dich getroffen hat.«
    Er zuckte die Achseln. »Er war ein alter Mann. Hat seine Zeit gehabt.«
    »Das ist sicher richtig«, sagte sie und lächelte. Sie streifte die Bluse ab und knöpfte ihren Rock auf.
    »Was machst du da?«
    »Nichts. Mich umziehen.«
    Er ließ den Kopf nach hinten sinken und legte seinen Unterarm über die Augen. »Ich kann ihn nicht einschätzen. Ich meine, sie werden ihn hergeschickt haben. Seine Mutter vor allem. Ich weiß, was die von mir hält. Sie wird ihn nicht mit leeren Händen nach Hause kommen lassen.«
    »Ich glaube«, sagte sie ruhig und setzte sich neben ihn, »er blufft nur. Wo ist das Geld?«
    Er sah unter dem Arm hervor. »Ah ja. Um meinetwillen bist du also hier.«
    »Lass das jetzt. Es ist
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