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Gibraltar

Gibraltar

Titel: Gibraltar
Autoren: Sascha Reh
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in Gibraltar, richtig?«
    »Was für einen Wagen hast du?«, fragte er, sich aufsetzend, statt zu antworten.
    »Einen Mégane. Cabrio.«
    »Verdeck im Kofferraum, ja?« Er schien den Rest hinunterzuschlucken und angestrengt nachzudenken. »So wird das nichts.«
    »Vielleicht sagst du mir einfach … Ach so, jetzt … Ich soll dich über die Grenze bringen?« Sie lächelte und stand auf. Betrachtete ihn.
    »Was?«, fragte er.
    Sie streifte ihren   BH   ab.
    »Was soll das?«
    »Sag es«, sagte sie und hockte sich rittlings auf ihn. Die Erinnerung an das Méridien kam ihr nun vor wie ihre eigene Fiktion. War das jemals geschehen? Oder war es nicht immer schon so gewesen, dass in Wahrheit sie allein darüber bestimmte, wie die Handlung sich fortspann?
    »Was machst du da? Was soll ich sagen?«
    Sie bewegte ihr Becken, bis sie bemerkte, dass sich unter ihr etwas regte. »Dass du mich brauchst, Bernhard. Ich helfe dir. Aber sag es.«
    »Du bist völlig …«
    »Nein«, sagte sie lächelnd und griff unter sich, in seine Hose. »Bin ich nicht.«
    Als sie am nächsten Morgen Valeries Zimmer betrat, lag diese noch im Bett. Carmen erkannte sofort, dass sie es mit Thomas geteilt hatte.
    Den Autoschlüssel entdeckte sie auf dem Tisch. Sie schloss die Tür hinter sich, ging durch das Zimmer und nahm daran Platz. Dann fächelte sie sich mit den Fingern ein wenig Luft zu, zum einen, weil die im Zimmer trotz geöffneten Fensters abgestanden war, zum anderen, um den Nagellack schneller zu trocknen, den sie eben aufgetragen hatte.
    »Was ist das mit dir und diesem Thomas, Valerie?«
    Valerie drehte sich schläfrig auf den Rücken und richtete sich halb auf. »Hmmwas?«
    »Hast du eine Affäre mit ihm?«
    »Wie spät ist es?«
    »Gleich acht.«
    »Was? Ey, scheiße. Montags schlaf ich lange.«
    »Es ist nur«, sagte Carmen. »Ich mache mir Sorgen um dich.«
    Valerie strampelte die Decke von sich und drehte sich im Aufstehen von ihr weg, da sie vollkommen nackt war. Sie griff zu ihren Kleidern, die verstreut am Fußboden lagen, und zog sich rasch an.
    »Hattest du das nicht gestern schon an?«, fragte Carmen.
    »Was willst du eigentlich von mir? Ich penne noch.«
    »Ich wollte mich bei dir für gestern entschuldigen, Valerie. Für die Szene da unten. Das sind doch alles völlig verrückte Umstände, unter denen wir hier zusammen sind, findest du nicht?« Valerie ging ins Badezimmer, trank einen Schluck Wasser aus der Leitung, presste ein wenig Zahnpasta auf die trockene Bürste, putzte sich fünf Sekunden lang die Zähne und spuckte den Schaum aus, womit der Waschgang beendet war. Sie kannte das von früher, und es schmerzte Carmen, dass alle Mühe, ihrer Tochter grundlegende Lebens- oder auch nur Hygienetechniken zu vermitteln, so vollständig gescheitert waren. Sie nahm leise den Schlüssel vom Tisch, ließ ihn schnell in ihrer Tasche verschwinden und fuhr fort, durch sanftes Fächeln ihrer Hände den Lack zu trocknen.
    »Noch was?«, fragte Valerie.
    »Nein«, sagte sie mit leichter Stimme. »Wie gesagt. Es ist ziemlich verrückt alles.«
    Valerie blieb im Türrahmen des Badezimmers stehen. »Ja, hast du schon gesagt. Echt total verrückt.«
    »Was meinst du denn, Valerie?«
    »Jetzt tu doch nicht so.«
    »Valerie, was soll ich denn noch sagen? Wir stehen alle hier unter großem Stress.«
    »Kann ich eigentlich nicht sagen, dass ich unter großem Stress stehe, ich bin total entspannt. Wüsste nicht, wieso ich Stress haben sollte. Oder du. Der Einzige, der hier richtig Stress hat, ist Thomas. Mir persönlich ist das total klar, dass alles nur den Bach runtergehen kann, sobald du hier aufkreuzt.«
    »Ich möchte nicht, dass du so redest, Valerie.«
    »Kriegst du das eigentlich nicht mit, was hier läuft? Dass der uns alle verarscht? Ich setz mich auf keinen Fall noch mal mit dem an einen Tisch. Auf keinen Fall.«
    »Es tut mir leid, dass du das so empfindest.«
    »Wie kann man das denn anders empfinden? Dich verarscht der doch auch! Wieso rennst du ihm eigentlich   immer   hinterher? Ich check das überhaupt nicht.«
    Carmen atmete ruhig und gleichmäßig – umso mehr, je stärker der Eindruck einer gewissen Hysterie wurde, die sie in Valeries länger werdenden Sätzen kommen sah. Sie hatte Bernhard nie akzeptiert, dachte sie; hatte ihm nie auch nur die leiseste Chance gegeben – grausam, wie nur Kinder es sein konnten, aus Rache dafür, dass er nicht ihr richtiger Vater war, und aus Rache an ihrer Mutter. Ihr Glück war
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