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Gibraltar

Gibraltar

Titel: Gibraltar
Autoren: Sascha Reh
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Hasardeur auf bisher unbekannte Weise, etwa 40 Millionen Euro am Controlling vorbei auf die Seite zu schaffen – und vom Radar zu verschwinden.
    Unterm Zahlenradar hindurch
    Im Vergleich zu den astronomischen Summen, die bei Großbanken in den letzten Jahren von kriminellen Tradern verzockt wurden, klingen 40 Millionen Euro wie die viel zitierten Peanuts. Für eine kleine Bank mit geringer Kapitaldeckung allerdings reichen sie locker für eine Pleite. Seit einer Weile sickerten immer wieder Gerüchte durch, dass der alternde Patriarch sein Firmenimperium nicht mehr im Griff habe. In den letzten Jahren hatte das Haus mit mäßigem Erfolg versucht, sich auf dem internationalen Finanzparkett neu aufzustellen. Und erst im letzten Jahr war die Übernahme durch eine österreichische Privatbank im letzten Moment gescheitert.
    Die Umstände seines Schlaganfalls könnten nun den Gerüchten um angebliche Halbweltkontakte neue Nahrung liefern: Alberts wurde unweit der Schwulenbar Tabasco in der Schöneberger Fuggerstraße gefunden. Auf welche Weise es zu seinem Zusammenbruch kam, ist bisher ungeklärt. Zeugen sagen aus, Alberts habe sich in der Bar mit einem Minderjährigen getroffen und sei diesem nach draußen gefolgt. Dort sei es zum Streit gekommen. Wenig später hätten Passanten Alberts’ leblosen Körper unweit der Bar gefunden und den Notarzt verständigt.
    Es wäre nicht das erste Mal, das sich hinter der blitzsauberen Fassade einer angesehenen öffentlichen Person ein verstörender Abgrund aus familiären Problemen und verdrängten Leidenschaften öffnet. Johann Alberts war bekannt – und von seinen Gegnern wohl auch gefürchtet – als ebenso geistreicher wie streitbarer Banker der alten Schule. Sowohl sein Großvater als auch sein Vater hatten die Bank schon durch schwere Vertrauenskrisen führen müssen: die Hyperinflation der zwanziger Jahre, die Enteignung durch die Nazis 1935, die schwierige Phase des Wiederaufbaus in den späten vierziger und frühen fünfziger Jahren.
    Johann Alberts hatte die Geschäfte der Bank Anfang der siebziger Jahre von seinem Vater übernommen. Seine Leidenschaft galt nicht nur der Finanzwirtschaft, sondern auch der bildenden Kunst. Aus ihrer Förderung hatte er eine zweite Berufung gemacht und eine umfangreiche und international angesehene Privatsammlung aufgebaut, die seit Ende der achtziger Jahre in einem eigenen Kunstmuseum der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Darüber hinaus engagierte er sich mit diversen Stiftungen, deren größte von seiner Frau Helene geführt wird und überschuldeten Menschen aus der Not hilft, für Bildung und karitative Zwecke. Und um diese mustergültige Vita zu vervollständigen, war er Mitglied des renommierten »Clubs der ehrbaren Kaufleute«, der sich gern als informelle Runde zum moralischen Feinschliff guter Unternehmensführung gibt, in Wirklichkeit aber wohl mehr eine Lobbyvereinigung Berliner Wirtschaftsgrößen ist. Kurzum: Johann Alberts war einer der letzten großen Familienunternehmer, die Verkörperung eherner Werte wie Verlässlichkeit, Familiensinn und gesellschaftlicher Verantwortungsbereitschaft – was sich auch darin zeigte, dass er als einziger Gesellschafter der Bank die alleinige persönliche Haftung übernahm.
    Dennoch war zuletzt nicht zu übersehen gewesen, dass seine Machtstellung in der Führungsspitze der Bank brüchig geworden war. Die großen Geschäfte waren längst aus dem Berliner Stammhaus nach Frankfurt ausgelagert worden, deren dortiger Niederlassungsleiter Holt die etwas betuliche Firmenpolitik dem schnellen, deregulierten internationalen Finanzwesen angeglichen hatte. Auch der Handel mit Kreditderivaten, dem sich der Patriarch lange verwehrt hatte, war dort längst eingezogen. Die operativen Entscheidungen, so wird gemunkelt, traf Alberts schon seit Jahren nicht mehr – was die Frage aufwerfen dürfte, wer sie an seiner Stelle traf.
    Ein Netz von Verbindlichkeiten
    Diese Frage wird auch die Herren von der Bankenaufsicht beschäftigen, die im Haus an der Wielandstraße seit letztem Sonntag eine Sonderuntersuchung durchführen und die Bücher der Bank auf Herz und Nieren prüfen. Die Staatsanwaltschaft ist hinzugezogen. Milbrandt wird der Untreue und der Manipulation von Computerdaten verdächtigt. Zu klären versucht die BaFin auch – wieder einmal –, wie es möglich war, dass ein einzelner Händler die nach der Finanzkrise angeblich drastisch verschärften Risikolimits der Bank hatte
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