Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gibraltar

Gibraltar

Titel: Gibraltar
Autoren: Sascha Reh
Vom Netzwerk:
herzzerreißend beinahe, was er ihr bedeutete; roch seinen schwer zu beschreibenden, vanilleartigen Duft, sah die markante Linie seines Kiefers, wie sie in seinen muskulösen Hals überging, und erkannte diese Bilder als beinahe archaisch, als tief in ihr eingeschrieben … so tief, dass sie sie niemals würde loswerden können, ohne sich dabei selbst zu verlieren.
    »Ich will nicht über das Hotel reden.«
    »Wir müssen aber darüber reden.«
    »Du musst. Ich nicht. Nicht mehr.«
    »Das stimmt nicht. Hast du dir mal überlegt, dass es ein Algorithmus gewesen ist, der uns da zusammengebracht hat? Algorithmus, so heißt das doch, oder?«
    »Hör auf«, sagte er.
    »Der unsere Daten miteinander vergleicht und unbestechlich ausrechnet, wer am besten zu wem passt. Nicht, dass ich diese Art von Beweis bräuchte, aber dich müsste er doch eigentlich überzeugen.«
    Sie streckte ihre Hand nach ihm aus; er ließ es geschehen, dass sie ihn berührte. Sie flüsterte: »Wir könnten irgendwo ganz neu anfangen.« Sie hätte ihren Kopf an seine Schulter legen, hätte ihn küssen können. Dies war der Moment, in dem sich alles entschied – oder bereits entschieden hatte. Wenn er sie nur benutzt hatte, um hierherzugelangen, dann würde er jetzt aussteigen. Er hatte recht: Irgendwie würde er es schon schaffen. Ein Mann mit etlichen Millionen konnte alles schaffen. Er musste nur die Tür öffnen. Dann hörte sie Hupen hinter sich; die Ampel stand auf Grün.
    Sie war sich nicht sicher, ob »Bank« die richtige Bezeichnung war für das, wohin Bernhard sie geführt hatte. Wenn es für ein international agierendes Geldinstitut standesgemäß war, dass es in einem schmucklosen, ja tristen Bürogebäude untergebracht war, das sich von einem Nutzbau in einem beliebigen Industriepark in nichts unterschied, dann, sicher, mochte dies eines sein. Doch zu ihrer Enttäuschung verfügte es weder über einen repräsentativen Kassen- noch einen imposanten Tresorraum, in den sie unter strengsten Sicherheitsauflagen geführt würden, damit der Bankdirektor mit seiner attraktiven Assistentin synchron einen Schlüssel ins Schloss der Panzertür stecken und drehen konnte, so dass sie Zugang zu den Schließfächern erlangten, mit denen sie dann allein gelassen würden. All ihre Vorstellungen, die sie mit einem solchen Ort verbunden hatte, verflüchtigten sich innerhalb von Sekunden, verteilten sich über die Grenzen ihrer Imagination hinaus wie Duft aus einem Zerstäuber und waren bald vollends verschwunden. Übrig blieb allein eine großzügige, zu einer Art Kanzlei umfunktionierte Räumlichkeit, die mehr an ein Verwaltungsbüro erinnerte als an eine Bank.
    »So, then I need to see your   ID , please«, sagte der Mann, der Bernhard bediente. Er war, schien es, außer einer Sekretärin der Einzige, der sich hier aufhielt. Wenigstens er entsprach in etwa der Vorstellung, die sie sich von einem Mann seiner Position und Bedeutung gemacht hatte; er war von respekteinflößender Statur, hatte weißes kurz geschnittenes Haar mit einem fein getrimmten Bart und einen sichtbar maßgefertigten Anzug mit ein paar außergewöhnlich geschmackvollen Manschettenknöpfen aus Perlmutt. Er vermochte sich überaus distinguiert auszudrücken und bedachte einzelne Begriffe mit einer charmanten Betonung, die seinen südeuropäischen Akzent noch deutlicher wahrnehmbar werden ließen, etwa als er nun sagte: »Actually, I’m sure this isn’t really a prob- lämm , and I beg your pardon for this regrettable little formality. But, well, I’m afraid I am not allowed to hand out this documents to you without having carefully validated your identity. It’s for your own security. I hope you’ll understand this.«
    All dies eröffnete der Mann Bernhard mit sanfter Stimme und in einer Art verbindlichem Plauderton, so dass Carmen zunächst nicht begriff, worum es überhaupt ging. Erst allmählich, und vor allem dadurch, dass Bernhard sich unaufhörlich am Hals kratzte und in seinem Sessel nervös herumrutschte, ging ihr auf, dass offenbar etwas anders lief, als er es erwartet hatte.
    »But you know me. I was here a few days ago.«
    »Yes Sir, I know. Unfortunately I didn’t get your identity number yet. We’ve got strictly instructions in this procedures, I’m afraid.«
    »But this is absurd. You’ve already seen my passport.«
    »Yes, Sir, I know. I deeply regret.«
    »So, what are we going to do now?«
    Bernhard war aufgestanden und ans Fenster getreten, wo er es
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher