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Unbeugsam

Unbeugsam

Titel: Unbeugsam
Autoren: Laura Hillenbrand
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|9| Vorwort
    W asser – nur Wasser, so weit sein Auge reichte.
    Es war der 23. Juni des Jahres 1943. Irgendwo auf der endlosen Weite des Pazifik lag Louie Zamperini, Bombenschütze der Army Air Forces und olympischer Läufer, auf einem kleinen Schlauchboot, das langsam Richtung Westen trieb. 1 Neben ihm kauerte ein Sergeant, einer der Schützen seines Flugzeugs. Auf einem zweiten Schlauchboot, das mit dem ersten verbunden war, lag ein weiteres Besatzungsmitglied mit einer hässlichen Wunde an der Stirn. Ihre Körper waren von der Sonne verbrannt, die gelbe Farbe der Boote hatte auf ihre Haut abgefärbt, und sie waren bis auf die Knochen abgemagert. Haie zogen ihre trägen Runden um sie herum, ihre Rücken schabten an den Floßwänden, sie mussten nur warten.
    Seit 27 Tagen trieben die Männer jetzt auf dem endlosen Pazifik. Eine Äquatorialströmung hatte sie mindestens 1000 Meilen weit getragen, tief in Gewässer hinein, die von den Japanern kontrolliert wurden. Das Gummi der Schlauchboote begann sich zu einer gallertartigen Masse zu zersetzen und verströmte einen sauren, ätzenden Geruch. Die Körper der Männer waren übersät mit vom Salz wunden Stellen, ihre Lippen waren so geschwollen, dass sie gegen Nase und Kinn stießen. Die Männer brachten ihre Tage damit zu, dass sie in den Himmel starrten, »White Christmas« sangen und leise ihre Essensphantasien vor sich hinmurmelten. Keiner suchte mehr nach ihnen. Sie waren allein auf 160 Millionen Quadratkilometern Ozean.
    Einen Monat zuvor war der 26-jährige Zamperini einer der berühmtesten Läufer der Welt gewesen, viele hatten von ihm erwartet, dass er als erster Leichtathlet die Four-Minute-Mile knacken würde, 1* einen der berühmtesten Schwellenwerte im Sport. 2 Jetzt wog sein für die Olympiade trainierter Körper nicht einmal mehr 100 Pfund, und seine berühmten Beine vermochten ihn nicht mehr zu tragen. Außer seiner Familie hielten ihn fast alle für tot.
    |10| An jenem Morgen des 27. Tages nun hörten die Männer ein fernes, tiefes Brummen. Jeder Flieger kannte dieses Geräusch: Propeller. Ihre Augen erhaschten ein Glitzern am Himmel – ein Flugzeug, hoch über ihnen. Zamperini feuerte zwei Leuchtgeschosse ab und schüttete Farbpulver ins Wasser, das die beiden Boote sogleich in einen leuchtend orangeroten Kreis einschloss. Das Flugzeug flog weiter und verschwand langsam. Die Männer sanken wieder in sich zusammen. Dann aber wurde das Geräusch wieder lauter, das Flugzeug tauchte erneut auf. Die Crew hatte sie bemerkt.
    Mit ihren Armen, die fast nur noch aus Knochen und gelbverfärbter Haut bestanden, winkten die Männer und schrieen, wobei ihre Stimmen wegen ihrer ausgedörrten Kehlen kaum mehr hörbar waren. Das Flugzeug drosselte die Höhe und drehte parallel zu den Booten bei. Zamperini sah die Profile der Besatzung, dunkel gegen das helle Blau des Himmels.
    Und dann erhob sich ein entsetzliches Tosen. Das Wasser, ja die Boote schienen zu kochen: Maschinengewehrfeuer. Das war kein amerikanisches Rettungsflugzeug. Es war ein japanischer Bomber.
    Die Männer warfen sich ins Wasser, klammerten sich unter den Booten fest, zuckten zurück vor den Kugeln, die durch das Gummi der Boote schlugen und weiß schäumende Linien in das Wasser über ihren Köpfen zogen. Der Beschuss ging weiter, entfernte sich dann, als der Bomber über sie hinwegflog. Die Männer hievten sich wieder zurück auf das eine Boot, das nur wenig Luft verloren hatte. Der Bomber beschrieb eine Kurve und hielt wieder auf sie zu. Als er näher kam, sah Zamperini die Mündungen der Maschinengewehre, die direkt auf sie gerichtet waren.
    Zamperini warf einen Blick auf seine Kameraden. Sie waren zu schwach, um sich ein zweites Mal ins Wasser retten zu können. Kraftlos lagen sie am Boden des Boots, hielten nur schützend die Hände über den Kopf. Zamperini sprang als einziger ins Wasser zurück.
    Irgendwo unter ihm hatten die Haie genug vom Warten. Zielstrebig bewegten sie sich auf den Mann zu, der sich an sein Rettungsboot klammerte.

|11| ERSTER TEIL

    |12|
Louis Zamperini, der Huckleberry Finn von Torrance, Kalifornien.

|84| 7
Jungs, jetzt ist es so weit
    A uf Oahu waren die Nachwirkungen des japanischen Luftangriffs immer noch zu spüren. 1 Die Straßen waren schwer beschädigt und noch nicht sämtliche Einschlaglöcher wieder aufgefüllt; Autofahrern blieb nichts anderes übrig, als in weitem Bogen um die Krater herumzumanövrieren. Nach wie vor durchzogen Risse das Kasernendach von
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