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Unbeugsam

Unbeugsam

Titel: Unbeugsam
Autoren: Laura Hillenbrand
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Stellenweise betrug die Sichtweite nur wenige Meter. Es würde nicht einfach sein, die winzigen, flachen Midway-Inseln zu finden, und es war ja auch fraglich, ob der Treibstoff ausreichte, um die Männer sicher wieder zurückzubringen.
    Ein Flugzeug kam in Sicht, ein zweites, dann ein drittes. Nach und nach kamen sie, mit bedenklich niedrigen Treibstoffbeständen, fast alle zurück; bei einem war ein Motor ausgefallen.
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war nirgends zu sehen.
    Draußen im Nebel dürfte Phil beim Blick auf seine Treibstoffanzeige gewusst haben, dass er in echten Schwierigkeiten steckte. Der Bombenschacht stand offen, der Wind heulte durch den Rumpf, und der Treibstoff war bis auf einen kleinen Rest bereits verbraucht. Phil wusste nicht, ob er im Nebel Midway so ohne weiteres finden würde, und für einen zweiten Versuch reichte das Benzin sicher nicht. Endlich, gegen 8 Uhr morgens, sah er Midway undeutlich aus dem Nebel auftauchen. Gleich darauf stotterte einer der Motoren des Flugzeugs und starb ab.
    Es war Phil klar, dass der Ausfall der anderen Motoren nicht lange auf sich warten lassen würde. Als die Landebahn in Sicht kam, richtete er die Maschine behutsam aus. Die Motoren liefen weiter. Phil verringerte die Flughöhe, setzte auf. Unmittelbar nach Verlassen der Landebahn gab dann der zweite Motor den Geist auf, und direkt vor dem Bunker starben auch die beiden letzten Motoren ab. Wäre die Strecke auch nur geringfügig länger gewesen, wäre
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auf dem Ozean zerschellt.
    General Ramey spurtete mit lauten Glückwunschrufen zu jedem einzelnen Bomber. Die todmüden Besatzungsmitglieder der
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stiegen aus ihrem Flugzeug und wurden von jubelnden Marines in Empfang genommen, die seit einem Jahr danach lechzten, den Japanern heimzuzahlen, was diese ihren Kameraden in Wake angetan hatten. Sie gaben eine Runde nach der anderen aus und ließen die Flieger hochleben.
    Die Mission war ein überwältigender Erfolg. Alle Flugzeuge waren wieder zurückgekehrt. Nur eine einzige Bombe hatte ihr Ziel verfehlt, sie war wenige Meter vor der Küste ins Meer gefallen. Der japanische Stützpunkt war schwer beschädigt – in einer Schätzung ist davon die Rede, dass die Hälfte des Personals getötet wurde –, und die Vereinigten Staaten hatten die Reichweite und Durchschlagskraft ihrer B-24-Bomber demonstriert. Hinzu kam – was die Männer nicht wussten –, dass sämtliche amerikanischen Gefangenen auf Wake überlebten.
    |95| Phils Crew verbrachte den Rest des Tages damit, im Regen zu sitzen und den Albatrossen bei ihren kuriosen Landeversuchen auf der überschwemmten Landebahn zuzuschauen. Zeitig am Morgen danach brachte
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sie dann wieder nach Kahuku zurück. Den Neujahrsabend verbrachte Louie auf einer Party mit Moznette und dessen Bombenschützen James Carringer Jr.; 17 erst um halb fünf zog er sich in den Pornographie-Palast zurück. Nur wenige Stunden später rappelte er sich wieder auf, als Admiral Chester Nimitz die Piloten von Wake mit dem Distinguished Flying Cross auszeichnete und ihre Besatzungsmitglieder mit Air Medals.
    Die Nachricht vom Überfall auf Wake verbreitete sich rasch, und die Männer wurden als Helden gefeiert. Die Presse variierte genüsslich das Thema eines Weihnachtsgeschenks an die Alliierten. Eine Schlagzeile lautete: »Japanische Socken mit Stahl gefüllt«. 18 In Tokio sahen Radioreporter die Sache etwas anders. Sie berichteten, die Amerikaner hätten, als sie auf die japanischen Verteidiger stießen, »in Panik die Flucht ergriffen«. 19 Im
Honolulu Advertiser
fand Louie einen Cartoon, in dem seine eigene Rolle bei der Bombardierung von Wake ins Bild gesetzt war. Er schnitt ihn aus und steckte ihn in seine Brieftasche.
    Mit dem Beginn des Jahres 1943 und dem Erfolg von Wake wurden die Männer übermütig. Man hatte den Eindruck gewonnen, alles sei ganz einfach. Ein Admiral prophezeite, man werde noch innerhalb dieses Jahres Japan niederringen; und Phil hörte, wie viele sich schon über ihre Rückkehr in die Heimat unterhielten.
    »Mich dünkt«, schrieb er an seine Mutter, »das ist doch ein bisschen voreilig.« 20

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Fünfhundertvierundneunzig Löcher
    I m Februar des Jahres 1943 hatte die
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Crew während eines kurzen Aufenthalts auf der Äquatorinsel Kanton ihre erste Begegnung mit explodierenden Haien. 1 Das kotelettförmige Atoll Kanton war ein tropisch heißes Purgatorium, das zum größten Teil aus Korallen und aus niedrigen Büschen bestand, die sich eng an den
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